Wohnbezirke

Viel Zeit zum packen hatten sie nicht gehabt als sie von der Halcyon aufgebrochen waren und dementsprechend sah auch ihr Gepäck aus, das sich inzwischen in der Mitte des Wohnzimmers befand, direkt neben einem der feinen, weißen Möbelstücke. Man hatte ihnen sie in eine der teureren Gegend einquartiert, bei weitem nicht das Präsidium, doch nach mehreren Jahren auf der Station der Rebellen kam es Leon trotzdem vor, als wäre dies hier ein fünf Sterne Hotel, einzig und allein der Butler fehlte noch. 
Sie hatten über den gesamten Flug hinweg nicht viel miteinander gesprochen, Leon fühlte sich noch immer schuldig für das was passiert war, doch hatte er es bisher nicht fertig gebracht den Mund aufzumachen und sich genau darüber zu unterhalten. Was sollte er sagen? "Sorry das ich dich und Lisa auseinander gebracht hab und Sie jetzt bei dem Broker hockt? Tschuldige das sie vermutlich sterben oder zu Tode gefoltert wird, wenn wir hier versagen?" Irgendwann hatte er aufgegeben darüber nachzudenken und hatte stattdessen versucht etwas Schlaf zu finden, doch war ihm auch dies nicht vergönnt gewesen. Das Shuttle mit dem sie geflogen waren war von der neusten Klasse, sodass man den Antrieb kaum hören konnte, doch hatten ihn nach wie vor seine Gedanken wach gehalten. Die Frage darüber, was jetzt kommen würde und wie all das wohl Enden würde. Jetzt jedoch schon über das Ende nachzudenken war viel zu vorschnell, weshalb er das letztendlich einfach beiseite geschoben hatte. 
"Wollen wir nicht darüber reden?" Meinte er schließlich, als er sich gegen die Rückenlehne der Couch stemmte und kurz darauf den grandiosen Ausblick bewunderte, den man von dem Apartment aus hatte, auch wenn der Shuttleverkehr in diesem Bezirk nicht sonderlich ausgeprägt war. "Hör zu was passiert ist ... tut mir wirklich Leid, ich hab nicht geahnt das es solche Folgen nach sich zieht."

Ethan blieb mitten in der Bewegung stehen, als hätte man die Zeit eingefroren, hielt noch immer die Pistole in der Hand, welche er gut verstaut und in einen der Beutel gepackt hatte, welche ihm der Broker hatte zukommen lassen. Somit hatte niemand mitbekommen, dass er seine eigene Pistole durch die Kontrollen geschmuggelt hatte. Er sah noch einmal auf die Pistole, dann zu Leon, dann wieder zu der Waffe. "Wäre die hier geladen" meinte Ethan leise und deutete mit einem Schwenk der Pistole auf Leon, "dann würde jetzt ein rauchendes Loch in der Wand hinter dir klaffen" seine dunkle Stimme war eindringlich, ernst und hatte einen drohenden Unterton.
"Es ist dein verdammtes Glück, dass sie es nicht ist" er seufzte, legte die Pistole aufs Bett. "Ich bin nicht sauer Leon. Das heißt - ich bin schon sauer, aber das hilft uns nichts weiter. Vielleicht war es deine Schuld, vielleicht hat der Broker auch nur auf solch eine Situation gewartet und ihm wäre alles andere auch recht gewesen. Fakt ist - wir haben nur uns beide. Ich kann nur dir vertrauen Leon. Und ich will Lisa wieder sehen. Kann ich mich auf dich verlassen?"

"Das konntest du immer." Meinte er kurz darauf nur, auch wenn er über Ethans Verhalten überrascht war. Der Andere konnte zuweilen recht launisch sein und gerade in dieser Situation hätte er es ihm nicht übel genommen wenn er ihn verflucht hätte, zum Teufel geschert hätte und ihm die Schuld für alles gegeben hätte, vermutlich hätte er genau so reagiert, wobei ... genau sagen konnte er aus auch nicht. "Ich versprech' dir, wir ziehen das hier durch und danach wirst du Lisa wieder sehen. Wenn wir genug erreichen, wer weiß vielleicht bekommen du und Lisa ja sogar noch eine zweite Chance auf ein normales Leben. Um Gottes Willen ich glaube nicht daran das der Broker euch das schenkt aber ... wir wissen nicht was wir alles dabei erreichen können. Ich will nur das du weißt das ich das hier nicht mache, um meinen eigenen Arsch zu retten. Wir kennen uns seit Jahren Ethan, allein deswegen kann ich dich hierbei nicht hängen lassen." 
Es war noch immer unangenehm einfach so ins Blaue zu gehen, sie wussten nicht was für Aufträge sie genau erwarten sollten, Gegenspionage und Sabotage bei Cerberus vermutlich, doch was man genau drunter verstand. Die Dossiers waren vor ein paar Minuten bei ihnen angekommen, so konnten sie zumindest erahnen wer sich in ihrer künftigen Truppe befand. "Ein paar Erfolgreiche Aufträge und wer weiß, vielleicht ist das ganze danach schon vorbei." Er wusste selbst das dass nicht stimmte, doch hielt er sich gern an diesem Gedanken fest.

"Ja, vielleicht ist es danach schon vorbei" meinte Ethan und brachte soetwas wie ein Lächeln auf sein Gesicht, wenngleich ihm auch tief im Inneren klar war, dass es nicht einfach so vorbei sein würde. Niemals. Nicht, solange der Broker noch etwas mit ihm anfangen konnte. Es war in Ordnung gewesen wie es war - zumindest während der Zeit auf der Halycon. Er wusste, dass es keine andere Möglichkeit gab sich irgendwo zu verstecken. Er genoss es, wieder produktiv zu werden, den Menschen ein Heim, eine Sicherheit außerhalb von Cerberus zu geben. Das Gefühl zu geben, sie wären in ihrer eigenen, kleinen Welt frei. Er war es nie wirklich gewesen - doch er hatte damit leben können, solange er Lisa bei sich hatte und genau wusste, dass jene welche zu ihm gekommen waren sich in Sicherheit wiegen und auf ihn Vertrauen konnten.
All dies war nun mit einem Schlag ausgelöscht worden und was blieb waren er, Leon und eiserne Ketten, von denen er niemals erlöst werden würde.

"Hör auf so einen Mist von dir zu geben." Antwortete Leon, ehe er kurz den Kopf schüttelte und dem anderen kurz auf die Schulter klopfte, Er konnte ihn verstehen, sie hatten alle nicht sonderlich viel gehabt, doch zumindest hatte war Lisa bei ihm gewesen. Die beiden standen sich näher als Leon es bisher bei irgend einem anderen Paar gesehen hatte und sie jetzt auseinander zu wissen, lies ihn noch einmal hart schlucken. Es war nie so geplant, doch das machte es auch nicht besser. 
Er hatte vorher einfach nicht nachgedacht, hatte einfach irgend einen Mist von sich gegeben, wobei er gehofft hatte das diese Macke seit seiner Grundausbildung verschwunden war, doch manche Macken konnte selbst der strengste Ausbilder nicht aus einem heraus prügeln. "Wir werden das hier durchziehen, wir werden dem Broker genug Informationen liefern und wenn wir die Möglichkeit haben dich hier raus zu bekommen ohne das irgendjemand etwas merkt, vielleicht lässt man es zu. Nein - bevor du irgendwas sagst, das ist nicht nur pure Vorstellung und Wunschdenken. Jetzt sind wir beide hier, einfach weil wir vollkommen neu sind und uns so gegenseitig helfen können, auf Dauer ist allerdings ein Maulwurf wesentlich günstiger, allein schon weil die Gefahr entdeckt zu werden, um die Hälfte schrumpft. Wenn der Fall eintreten sollte, und ich bin fest der Meinung das wir beide es bis zu diesem Punkt schaffen, dann werde ich hier blieben und du gehst zurück nach Illium. Ich verstehe das es jetzt alles ziemlich Ausweglos wirkt aber ... wir finden einen Weg, versprochen Ethan." 
Er konnte den Anderen nicht einfach so im Stich lassen, er war sein einziger Freund der ihm noch geblieben war, gleichzeitig jedoch auch der beste den er über all die Jahre hinweg hatte. Und Lisa, sie war nie sonderlich gesprächig gewesen, doch fühlte er sich auch ihr gegenüber schuldig.

"Ist schon okay" beruhigt ihn Ethan, welcher sich sicher war, dass der Broker ihnen dieses Appartement nicht ohne Grund zugewiesen hatte. Offiziell natürlich, um den beiden die lästige WOhnungssuche zu ersparen, aber Ethan war sich sicher, dass noch wesentlich mehr dahinter steckte. Vermutlich waren hier nicht nur Wanzen, sondern auch Videokameras eingebaut. Es würde Ethan nicht einmal wirklich verwundern, wenn im Fall der Fälle Selbstschussanlagen hier ihren Dienst taten und das Extranet einzig und allein über die Server des Brokers lief.
Unter diesen Umständen, hatte Ethan nicht besonders Lust als der Hauptdarsteller im neuen Action-Drama des Brokers mitzuspielen, wo er den einsamen Agenten mimte, der in der Sicherheit seines Appartements mit seinem treuen Gefährten Pläne zum Hintergehen seines Arbeitsgebers schmiedete.
"Wir erfüllen unseren Auftrag, so wie es der Broker wollte Leon. Das letzte mal hat uns dein Starrsinn erst hierher gebracht!"

"Schon klar, ich halt die Klappe." Erwiderte Leon und lachte kurz, ehe er seine Tasche nahm und diese in eines der Zimmer verfrachtete. Ein paar Minuten später kam er aus eben jenem wieder zurück, wobei er inzwischen andere Kleidung trug. Flüge, so futuristisch sie auch waren, waren nach wie vor mindestens so anstrengend wie damalige Autofahrten und die neue Kleidung fühlte sich angenehm frisch auf seiner Haut an. Später würde er ohnehin noch unter der Dusche verschwinden, davor jedoch gab es noch einige Dinge die geklärt werden mussten. "Hast du eigentlich schon irgend eine Idee wie wir vorgehen? Ich meine wir müssen uns halbwegs absprechen, schließlich stoßen wir beide gleichzeitig dazu und die übernimmst zudem die Rolle des Anführers. Ich hab die Dossiers der beiden anderen Agenten die bereits in der Gruppe sind mal kurz angesehen, die eine ist Taktikerin, Skylar Gray, ganz normales Prozedere, nach und nach hochgearbeitet. Genau das gleiche bei dem Anderen Agent, Jayden Dearing. Sieht nach einer ganz gewöhnliches Truppe aus, wobei die einiges auf dem Kasten haben werden was Fremdspionage angeht, wir müssen also genau aufpassen was wir zu wem sagen, denn es kann ziemlich schnell passieren das wir dort auffliegen wenn wir nicht aufpassen."

"Mhm" meinte Ethan und nickte. "Unser Problem ist, dass die beiden altgediente C-Sec Mitarbeiter sind. Die Geschichte, dass wir auch dazu gehören, nun ihre Vorgesetzten sind sie aber nie etwas von uns gehört, geschweige denn uns gesehen haben wird nicht funktionieren. Wenn ich sage, dass ich auf der Erde gearbeitet habe besteht die Gefahr, dass diese Skylar einige Kontakte auf der Erde anruft und herausfindet, dass mein Name nicht bei FBI auftaucht und das der einzige Mann, auf den meine Beschreibung passt seit über zwanzig Jahren Tod ist" er fuhr sich durch das langsam grau werdende Haar.
"Einzige Lösung bleibt also: Wir kommen von außerhalb. Die Frage ist nur: Woher. Wie kamen wir hierher? Der Broker hat uns ein paar Alibis erfunden, wir sollen nehmen was auch immer wir am besten halten. Du findest sie da auf dem Tisch!"

"Also ..." Leon beugte sich ein Stück hinüber, ehe er zu dem zwei Datapads griff und dort die zahlreichen Einträge überflog, Es war teilweise erschreckend zu sehen was der Broker alles vorspielen konnte, es gab alle nur erdenkbaren Varianten wie sie in diese Einheit gekommen waren und einige davon klangen so absurd, das man im ersten Moment einfach daran glauben musste, zumal alles mit gefälschten Dokumenten bewiesen werden konnte, was ihnen die Arbeit ebenfalls enorm erleichtern würde. 
"Gut ... mich kann mal wohl noch damit einschleusen, das ich von einer der Rand Kolonien komme und dort eine Weile lang als ... oh, cool, Streifenpolizist gearbeitet habe. Nebenbei hab ich irgend ein Studium in einer beschissenen Randwissenschaft gemacht die ohnehin kein Schwein interessiert, damit ich mich danach beim Rat bewerben kann." Er würde passen, er sah noch nicht sonderlich alt aus und zu dem Werdegang der hier geschrieben war passte ein Alter von etwa Anfang bis Mitte zwanzig. "Und was dich angeht Opi ... du warst früher mal bei der Allianz und hast dann ein paar Jahre lang im Krankenhaus gelegen wegen ... mhh, nem Bandscheibenvorfall, Klasse. Dank moderner Medizin bist du inzwischen wieder vollkommen Einsatzbereit, hast ein paar Wochen lang Testläufe absolviert um zu zeigen das du nach wie vor für den Einsatz fit bist. So, soweit zur Geschichte." Es hatte noch allerlei andere Möglichkeiten gegeben, doch waren diese beiden die wohl sinnvollsten und vor allem verständlichsten.

"Klingt ganz gut" meinte Ethan, schrägte dann jedoch den Kopf an. "Nur deine Randwissenschaft könnte Problematisch werden wenn dich jemand danach fragt oder wir in einem Einsatz - Gott bewahre deine Kentnisse bräuchten. Wenn dahingehend geplant wird sind wir am Arsch. Such dir lieber eine andere Hintergrundgeschichte aus, wenngleich ich mich mit meinen Bandscheiben auch erst anfreunden muss. Bandscheibenvorfall... ich bin kaum fünfzig!" er schüttelte den Kopf, noch immer ungläubig über die Situation in die ihn Leons Auswahl des Alibis manövriert hatte.
Aber letztlich konnte er damit leben und wenn sein angeblicher Bandscheibenvorfall dazu führte, dass man ihm das Alibi abnahm und er seinen Job ausführen könnte, dann hätte er sogar zugestimmt ihm einige Finger abzutrennen, solange er das alles nur überlebte und Lisa aus dem Vertrag des Brokers befreien konnte.

"Na komm rein," meinte Jayden freundlich und hielt Skylar die Tür offen, während hinter ihnen das hektische Leben der Citadel langsam verebbte und die wahrhaftige Nacht hereinbrach. Es gab nur einige wenige Stunden, in welchen man auf der Citadel tatsächlich so gut wie niemandem begegnete und das war die sechste bis zur neunten Stunden der Citadel Nacht.
Man hatte der Einfachkeit halber beschlossen, dass ein Citadel Tag 20 Stunden haben sollte. Zehn am Tag und zehn in der Nacht - doch wirklich Ruhe fanden die Bewohner der größten Raumstation der Galaxie nur in einigen wenigen Stunden.
Er nahm Skylar den Mantel ab und geleitete sie in das hübsch eingerichtete Appartement, während er die Jacke auf einen Haken warf, wo sie kunstvoll hängen blieb.
"Setz dich schonmal, ich hole nur noch schnell den Sekt!" meinte er.

"Du hast es echt hübsch hier", stellte Skylar fest während sie durch das Apartment des anderen lief und ab und an stehen blieb, um sich das eine oder andere Bild anzusehen. Er hatte es hier nicht unbedingt spartanisch eingerichtet, wie sie es eigentlich von ihm erwartet hätte - ab und an fand sie ein paar Dekorationselemente, die sie hübsch fand und einige Bilder auf einer Anrichte, über die sie sacht ihre Finger streifen ließ und die vermutlich seine Familie zeigten. Alles in allem war es ein ganz gewöhnliches Apartment - nichts, was darauf schließen ließ, dass er eigentlich zu C-Sec gehörte und im Stillen tat es ihr mit einem Mal leid, dass sie ihn so an der Nase herumführen musste, obwohl er gar nichts dafür konnte und mit alledem vermutlich reichlich wenig zu tun hatte. Wenn der Befehl kam würde sie auch Jayden umbringen müssen und ihr graute es vor dem Moment, wo sie mit der Waffe vor ihm stand - bei Jacob war es einfach gewesen, sie hatte ihn auf dem Heimweg abgepasst und ihn, nachdem sie ihn von einem der Barkeeper hatte betäuben lassen, in den Abwasserkanal geworfen, aber Jacob hatte sie auch nicht gemocht - er war ein Mensch gewesen, der ihr zuwider war - bei Jayden sah das Ganze aber anders aus.
Mit einem stillen Seufzen auf den Lippen trat sie hinüber in das Wohnzimmer und ließ sich auf eines der Sofas sinken, die hier standen und die gegenüber eines großen Monitors standen, der in der Wand eingelassen war. "Du musst dir wegen mir nicht so viel Stress machen, Jayden", rief sie hinüber in die Küche, wo sie das leise Klirren von Gläsern hören konnte.

"Ach, ich mach mir doch hier keine Umstände" rief Jayden aus der Küche und kam kurz darauf mit der Sektflasche und einige Gläsern zu ihr, stellte alles vorsichtig ab und machte sich an dem Verschluss der Flasche zu schaffen.
"Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich das hier mal verbrauchen kann. Die Arbeit frisst mich regelrecht auf und meine Mutter fragt bei jedem Anruf, ob ich denn endlich ein Mädchen kennen gelernt hab. Ich glaub sie macht sich echt sorgen, dass sie keine Enkel bekommt" meinte er lachend. "Ich kann jetzt wenigstens behaupten, dass ich mich mit einer getroffen habe" erklärte er und der Korken knallte mit einem leisen Plop aus dem Verschluss, von wo ihn Jayden auffing, ehe er den Sekt in die beiden Gläser einfüllte.
"Auf den schönen Abend!"

Leise lachend hob Skylar die Gläser auf, um es Jayden zu ermöglichen leichter den Sekt in die Gläser zu füllen und vielleicht nicht den großen Tisch zu besudeln, auf dem sich allerlei andere Dinge befanden, die vermutlich nicht unbedingt klebrigen Alkohol abkriegen sollten. "Ehrlich jetzt?", hakte sie nach und hob die Augenbrauen, musterte Jayden noch einmal als wolle sie sicher gehen, dass der andere sie nicht versuchte an der Nase herum zu führen, dann allerdings schlug der Schalk in ihren Augen durch, brachte jene dazu zu blitzen und während sie ihr gefülltes Sektglas ein Stück weit in die Höhe hob, um mit ihm anzustoßen, erhob sie erneut die Stimme. "Weißt du, ich könnte ja mal drangehen, wenn sie anruft - ich bin mir sicher, dann hättest du einstweilen deine Ruhe vor ihr und sie müsste dich das nicht mehr fragen", schlug sie dann vor und grinste, während sie sich vorzustellen versuchte, wie die Mutter des Freundes wohl reagieren würde, wenn sie das durchzog und vor allem, ob Jayden dabei peinlich berührt im Boden versinken würde - es war in jedem Fall eine Idee, mit der sie einige Sekunden länger spielte als zuvor gedacht und vor allem würde sie vermutlich dabei mehr Spaß haben als wirklich gut für sie war.
"Du weißt schon - so als Freundschaftsdienst", schickte sie schulterzuckend hinterher und hob ihr Glas zu den Lippen, spürend, dass sie für diesen Abend schon beinahe zu viel Alkohol zu sich genommen hatte - sie würde langsam machen müssen, bevor sie Dinge tun würde, die sie letztendlich bereuen würde, wie zum Beispiel dem anderen die Wahrheit zu sagen. Er durfte es nicht wissen, allein schon um ihn nicht in Gefahr zu bringen, zumindest nicht mehr als er ohnehin schon war. "Aber - auf einen schönen Abend."

"So verlockend das klingt - ich glaube du unterschätzt die alte Miss Dearing" erklärte er Skylar grinsend und schüttelte den Kopf. "Was für dich als Spaß anfängt, endet nachdem sie dich in die Mangel genommen hat damit, dass du mich am nächsten Tag nach Las Vegas schleppst und heiratest, weil die alte Dame es dir irgendwie mit psychischen Kräften eingetrichtert hat" erklärte er lachend und schüttelte nur den Kopf. Er wollte seine Mutter nicht auf Skylar loslassen - dies würde letztlich wohl nur dazu führen, dass diese schreiend aus dem Zimmer lief und sich fortan weigerte jemals wieder mit ihm zusammen zu arbeiten. Oder aber sie heiratete ihn tatsächlich, um die alte Frau zufrieden zu stellen.
"Was hälst du davon, wenn du dir schonmal einen Film raussuchst, während ich nach der Mousse au Chocolat schaue?"

"Und wo wäre jetzt das Schlechte darin?", konterte Skylar lediglich grinsend und schlug dem anderen sacht in die Rippen ehe sie selbst vom Sofa aufstand und zu einem der Schränke hinüber trat, in welchem sich eine nicht gerade kleine Sammlung an Filmen befand, über deren Rückseite sie mit den Fingern fuhr, um nicht versehentlich irgendwie zu verrutschen. Sie kannte nur einen Bruchteil der Filme, die hier standen und dann auch nur aus irgendeinem Trailer, den sie im Fernsehen gesehen hatte, nachdem sie mitten in der Nacht nach Hause gekommen war und so fiel es ihr alles andere als leicht sich darüber klar zu werden, was sie eigentlich sehen wollte. Etwas Seichtes hatten Jayden und sie im Restaurant ausgemacht, nichts allzu anstrengendes, nichts mit Mord und Blut und nichts, was mit der Arbeit zu tun hatte - das Problem darin war lediglich, dass damit etwa 95% der Filme ausfielen, die sich hier befanden.
"Ganz im Ernst - ich glaub nicht, dass deine Mom so furchtbar stressig ist. Sie macht sich bestimmt nur Sorgen um dich und will, dass du glücklich bist", schickte sie noch ein Stück lauter in Richtung Küche hinterher, um das Gespräch nicht plötzlich einschlafen zu lassen. Es war dasselbe mit ihren Eltern - ihr Vater war Polizist in Richmond gewesen, einer größeren Stadt in Virginia, und ihre Mutter - von der wusste sie nur, dass auch sie für den CIA tätig gewesen war, bevor sie bei der Geburt ihrer Tochter verblutet war. Seitdem sie denken konnte war ihr Vater für sie immer ein Ansprechpartner gewesen und hatte letztendlich auch ihre Entscheidung geprägt, sich ebenfalls zu verpflichten.

"Ich weiß und ich schätze das auch" rief eine Stimme aus der Küche, während Jayden einige Glasschüsseln aus dem Schrank nahm und diese noch einmal kurz durchspülte. Er hatte sie lange nicht benutzt und wollte es niemandem zumuten aus staubigen Schüsseln essen zu müssen.
"Aber eigentlich ist genau das das nervige - zum Glück habe ich noch einen älteren Bruder. Da er Misses Wright auch noch nicht gefunden hat, bearbeitet meine Mutter ihn noch mehr" erklärte er weiterhin, während er die beiden Schüsseln, zwei silberne Löffel und die große, Marmorene Schüssel mit dem Mousee au Chocolat auf ein Tablet tat.
Schließlich packte er alles zusammen und stromerte damit in Richtung Skylar. "Meine Mutter wünsch sich so sehr Enkelkinder, dass er es noch nicht übers Herz gebracht hat ihr zu sagen, dass er schwul ist. Jeder außer sie weiß das" meinte er lächelnd und stellte das Tablett vor Skylar ab.

"Wieso sagt dein Bruder ihr das nicht? Ich mein, dann würde er sich zwar vermutlich eher die ganze Geschichte noch einmal über Mister Right anhören, aber vermutlich wäre sie zumindest eine Weile lang still", kommentierte Skylar lediglich, die es inzwischen sogar geschafft hatte ein paar Filme auf dem Tisch abzulegen, die sie in die engere Auswahl genommen hatte und bei denen sie es wirklich geschafft hatte, dass keines der No-Go-Themen darin vorkamen. Neugierig beugte sie sich ein Stück nach vorn und musterte den Inhalt der Schüsseln, die er mitgebracht hatte und ließ ihren Blick dann hinüber zu Jayden wandern, ihn verwundert musternd. "Das sieht in jedem Fall schon mal richtig gut aus. Jetzt bin ich mal gespannt, ob du nicht einfach gnadenlos übertrieben hast", kommentierte sie und schnappte sich eine der beiden Schüsseln, wartend bis der andere sich ebenfalls neben sie hatte sinken lassen. Gedanklich machte sie bereits neue Notizen über ihn - ein älterer Bruder, schwul, überbesorgte Mutter, der ein Verschwinden sofort auffallen würde, wöchentliche Anrufe der alten Dame, familienbewusster Agent, Bilder von Familie auf dem Tisch - mögliche nächste Zielpersonen, falls die Fragen stellen würden, bindungsphobisch, längere Zeit keine Frau hier gehabt, hetero, neigt zur Überarbeitung.
Was tat sie hier eigentlich? Jayden war ein Freund und keine Zielperson, an die sie heran kommen musste, um ihn letztendlich zu liquidieren. Sie durfte diese Dinge gar nicht in ihrem Kopf behalten, er würde keine Zielperson werden, sie würde ihm nichts tun müssen. "Das ist echt gut."

"Echt gut?" echote Jayden ungläubig, beinahe beleidigt. ""Miss Gray ich muss doch sehr bitten - die letzte Frau die diese Köstlichkeit kosten durfte hat sich nackt ausgezogen und sich mit dieser formidablen und exquisiten Süßspeise bepinseln lassen" erklärte er grinsend, welcher sich doch eine etwas ausgefallenere Reaktion als "echt gut" gewünscht hatte.
"Das ist das einzige was ich überhaupt kochen kann Skylar! Mehr wirst du von mir niemals erwarten dürfen, also bitte. Ist es nicht wenigstens... echt sehr gut?" hakte er nach, während er die Filme durchging, welche Skylar vor ihn auf den Tisch gelegt hatte.
In der heutigen Zeit wurden die meisten Filme direkt auf den Fernseher gestreamt, was angenehm und ohne Ladezeiten auskam. Doch Jayden mochte das Gefühl etwas zu besitzen. Für ihn war der Sammlertrieb stärker als das praktische denken und etwas haptisch zu haben, statt nur als Datenwolke gab ihm ein Gefühl der Sicherheit

"Mit Mousse au Chocolat bepinseln lassen?", hakte Skylar nach und hob die Augenbrauen ehe sie ihren Löffel wieder zurück in die Schüssel sinken ließ und Jayden für eine Weile lang ansah, als würde sie gerade überlegen, was sie dazu wirklich sagen sollte. Sie wollte ihn einige Sekunden lang zappeln lassen, ihn nicht wissen lassen, ob sie ihn nicht deswegen absolut widerwärtig fand, aber sie begann schneller wieder zu lächeln als sie es wirklich beabsichtigt hatte. "Nur, wenn du das Ganze auch wieder ableckst", schoss sie dann schließlich grinsend zurück und grübelte für einen kurzen Moment lang darüber nach, ob das so wirklich der Wahrheit entsprach, was er ihr erzählte. Jayden wirkte nicht so als wäre er der absolute Womanizer und der Kommentar über seine Mutter und darüber, dass er eigentlich eher mit seiner Arbeit als mit einer Frau verheiratet war, sprach dagegen und so kam sie letztlich zu dem Schluss, er versucht hier nur damit zu prahlen oder sie damit zu beeindrucken - bei beidem erreichte er sein Ziel nicht, aber das Interesse an ihm blieb. "Aber es ist wirklich gut und das kochen bring ich dir irgendwann mal noch bei - du sollst dich ja nicht nur von Schokolade ernähren können", ließ sie noch folgen, um das Gespräch wieder ein Stück weit aufzulockern, nachdem sie zuvor doch recht dreist vorgegangen war. Skylar wollte ihn nicht in eine Ecke drängen, oder zu etwas bringen, was er gar nicht wollte - dafür schätzte sie ihn zu sehr, ging zu gern mit ihm um, als dass sie es hätte ertragen können, ihn nicht wieder zu sehen.

"He, ich war immer sehr stolz darauf mich einzig und allein von Schokolade ernähren kann!" erklärte Jayden nur und zuckte mit den Schultern. Natürlich wäre es sehr schön gewesen sich nicht immer nur Fertiggerichte reinzuschmeißen oder in der Cafetaria von C-Sec zu essen, jedoch hatte er sich mittlerweile an genau diese Art zu leben gewöhnt. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, konnte er sich noch nicht einmal wirklich vorstellen sich jeden Abend in die Küche zu stellen um dort etwas gutes zu kochen. Dafür hatte er nicht nur fehlendes Talent. Nein, vielmehr hatte er einfach nicht die Muße dazu sich auch noch spät ABends derart viel Zeit nur für Nahrung zu verwenden.
Andererseits... konnte es durchaus angenehm sein mal zusammen mit jemanden zu kochen, dies mehr als Zeitvertreib als als Handwerk anzusehen und dafür konnte er sich dann doch erwärmen.
"Aber... klar, wieso nicht?"

"Komm schon, ich versprech dir, ich geh auch nicht mit dem Messer auf dich los", versuchte Skylar ihn noch zu besänftigen, nachdem sie seinen Unbill im ersten Moment wahrgenommen hatte und legte ihm sacht die Hand auf die Schulter, strich behutsam darüber und schenkte dem anderen ein sanftes Lächeln. Inzwischen hatten sie beide ihre Schüsseln leer und eines musste sie Jayden lassen - was die Mousse au Chocolat anging, konnte ihm wirklich kein Restaurant etwas vormachen und als er gesagt hatte, es wäre das Einzige, was er wirklich konnte, hatte er ebenfalls nicht übertrieben. Auf dem Monitor flimmerte inzwischen irgendeine Komödie vor sich hin, deren Handlung Skylar soweit ausgeblendet hatte, dass sie nicht einmal mehr wusste, um was es wirklich ging, geschweige denn welcher Witz nun als Nächstes kam - das Gespräch mit dem anderen hatte sie zuweit abgelenkt und sie bereute es angesichts der Bilder, die über den Monitor flimmerten, in keiner Art und Weise. Der Film sah nicht einmal sonderlich interessant aus, geschweige denn, dass die Schauspieler dabei einen guten Job machten. Soweit sie sich noch von der Rückseite der Verpackung erinnern konnte, ging es wohl um ein Team aus Dieben, die nur einen Job machen wollten und dabei in alle möglichen Fettnäpfchen traten, die verfügbar waren.
"Apropos - hattest du dir eigentlich schon was überlegt, was die nächsten drei Stunden angeht? Ich mein, so nachdem du mich versetzt hast ..."

"Naja" meinte Jayden, welcher froh war sich auf etwas anderes, als den bevorstehenden Kochkurs konzentrieren zu können.
"Ich habe noch etwas Massageöl bei mir im Bad stehen. Vor einigen Jahren habe ich, als ich in Zivil unterwegs war einen Ladeninhaber davor bewahrt ausgeraubt zu werden. Aus dank schickt er mir zu so ziemlich jedem Feiertag irgendwelche Massageöle, Seifen, Parfums und so weiter. Und glaub mir - Hanar haben verdammt viele Feiertage" erklärte Jayden lächelnd und lehnte sich zurück, löffelte genüßlich die Mousse au chocolat, welche noch immer vorzüglich schmeckte und genoss die Ruhe, die Ablenkung und die absolute Normalität dieses Abends.
"Wenn du willst, würde ich dir liebend gerne auch endlich mal gebrauchen. Nur sich selbst zu massieren war bisher immer verdammt schwierig. Aber ich denke, ich weiß noch wie es geht"

"Jayden, du wirst mir echt immer sympathischer", stellte sie überrascht fest, nachdem der andere ihr eröffnet hatte, dass er jetzt auch noch massieren konnte und ihr nach Sekt und Schokolade nun auch noch das anbot. Fakt war - er hatte sie damit gegriffen bekommen, hatte damit dafür gesorgt, dass sie jedwede Vorsicht, welche sonst noch stets an ihr angeheftet war, einfach fallen ließ und sich langsam auf dem Sofa zurücksinken ließ, den Rücken dagegen lehnend und die Augen für einen kurzen Moment lang schließend.
Wieso musste sie dieses Spiel hier spielen? Wieso konnte sie nicht einfach das sein, was sie auch wirklich war? Zu gern hätte sie ihm die Wahrheit darüber gesagt, wer sie war und vor allem was sie war, hatte ihn nicht weiter belügen müssen und würde sich vollkommen in die Ruhe des Moments zurücklehnen können, aber das ging nicht. Ihre Vorgesetzten hatten ihr deutlich gemacht, was passieren würde, wenn sie den Mund aufmachte, wenn sie jemandem von ihrer Mission erzählte und eigentlich ... war es schon viel zu riskant, sich überhaupt hier aufzuhalten. Jayden würde für eine Gefahr gehalten werden, sie würden versuchen ihn zu liquidieren und Skylar wusste, dass sie nicht ständig hier sein konnte, um über ihn zu wachen. Es war im Grunde genommen unfair, auch wenn sie nicht bedacht hatte, dass das einmal so geschehen würde. Vorher war es ihre Mission gewesen, die über alles galt und für die sie auch alles andere ohne Probleme aufgegeben hätte, aber jetzt war das nicht mehr so einfach. Sie hatte Freunde in diesem Leben bekommen, hatte Menschen kennen gelernt, die ihr etwas bedeuteten und die Tatsache, dass die nicht einmal ihren richtigen Namen, geschweige denn ihre richtige Persönlichkeit kannten, stimmte sie traurig.
Unstet glitten ihre Finger für einen kurzen Moment lang durch ihre dunklen Haare, die ihr offen auf die Schulter fielen und schwerlich seufzend öffnete sie die Augen wieder, die sie für einen kurzen Moment geschlossen gehalten hatte. Sie würde ihm vielleicht eines Tages die Wahrheit sagen, auch wenn das bedeutete, dass sie ihn wohl als Freund verlieren würde, aber er hatte die Wahrheit einfach verdient.