Lillies und Matts Apartement

Sie hatte bereits geahnt, dass Matt nicht sonderlich begeistert davon sein würde, dass sie Mateo mit hierher bringen würde, aber es war ihr vollkommen gleichgültig, was der andere davon dachte oder für wie gefährlich er es halten würde - es war ihr Leben, es war ihre Freiheit und es war ihre Freundschaft, die sie um nichts in der Welt wieder einschlafen lassen würde. Cerberus war zerschlagen - sie hatten keine Feinde mehr, die sie zu fürchten hatte und eines Tages würde sie auch noch Harper in die Finger bekommen, aber bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie beschlossen, ihr Leben so zu genießen, wie sie es nun einmal konnte und wie sie es mit der Macht, die sie sich erarbeitet hatte, nun einmal konnte. Wofür hatte sie all diese Macht, wenn sie sie nicht auch nutzen konnte? "Ich hab ihn im Restaurant aufgelesen und beschlossen, ihn einfach mitzuschleppen und es war sicherer hier zu sprechen als im Restaurant - zumindest für die Tarnung", lautete die einzige Erklärung, welche sie zur Antwort gab und der sie einen kurzen Blick folgen ließ ehe sie Mateo schlichtweg am Arm nach vorn zog, nachdem sie sich auf dem Weg hin bei ihm eingehakt hatte, und dem anderen gar nicht erst die Möglichkeit ließ, darüber nachzudenken, ob er nicht vielleicht doch fehl am Platze sein könnte.
"Wir haben beschlossen einen kurzen Abstecher nach Spanien zu machen, wenn die Zeit es ermöglicht und die Lage ein wenig ruhiger ist", führte sie fort und bugsierte Mateo hinüber in das große Wohnzimmer, wo sie ihn kurzerhand auf der Couch absetzte, bevor sie selbst in der Küche verschwand, um wenigstens für etwas zu Trinken zu sorgen, nachdem sie den alten Freund bereits einfach so überfallen hatte und auch Matt sich vermutlich vor den Kopf gestoßen fühlte.

Er war bisher nicht einmal ansatzweise in den Genuss gekommen etwas zu sagen, weswegen er Matt nur kurz mit einem Nicken gegrüßt hatte. Die Wohnung hier war schlicht beeindruckend, alles wirkte teuer und wertig - zwar lebte auch er nicht in den schlechtesten Umständen, doch wirkte das, was Lilli und Matt hier hatten wie etwas vollkommen unerreichbares. "Du hast dich ziemlich gesteigert seit wir uns das letzte mal gesehen hatten." Kommentierte er schließlich den bleibenden Eindruck auf seine Umgebung ehe er sich, ohne große Gegenwehr auf die Couch drücken ließ. Sie hatten eine faszinierende Aussicht auf die Skyline der Citadel und fast wäre er aufgesprungen um seine kamera zu schnappen - Anstand und Höflichkeit überwogen jedoch, weswegen er nur erneut zu dem immer noch verwirrten Matt sah. Lilli war in der Küche verschwunden, aus der kurz darauf nur noch ein paar Geräusche zu hören waren. "Soll ich dir helfen?" Rief er über die Schulter hinweg, erhielt jedoch auch nach gut einer Minute keine Antwort. "Cielo.." Murmelte er leise, jedoch mit einem schmalen Lächeln.
"Freut mich im übrigen auch dich wiederzusehen Matt. Ihr habt euch hier ja scheinbar einiges aufgebaut."

"Jahaaa" meinte Matt nur zustimmend und sah noch einmal zu Lillie ehe er sich geschlagen gab und seufzte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Er wusste zwar, dass sie sich ein normales Leben wünschte. Aber dafür waren sie nun einmal nicht gemacht so sehr er auch versuchte ihr das Gefühl zu geben, sie wäre eine normale Frau.
Aber das waren Sie beide nunmal nicht. Mit all der Macht und all dem Geld ging nun einmal eine Verantwortung einher, welche sich schwerlich abschütteln ließ. "Wir haben hart gearbeitet um soweit zu kommen!" erklärte er dem anderen und ging an die kleine Bar, nahm zwei Sushi-Teller aus einem Kühlfach und stellte diese zusammen mit ein paar Stäbchen vor Mateo.
Man konnte ja über ihn sagen was man wollte - und auch wenn Matt nicht begeistert war - er war kein schlechter Gastgeber. "Und wie geht es dir? Was hast du so getrieben?"

"Weißt du, ich habe mich inzwischen von allem physischen abgewandt und verbreite hier auf der Citadel die Lehre der großen Entflammten. Die wenigsten wissen davon und es ist vollkommen ungewöhnlich das wir Menschen daran glauben, aber Religion steht jedem frei, nicht wahr? Oh und man ich spüre in dir ..." Er hielt seine Hand auf Brusthöhe und in Matts Richtung, ehe er die Augen schloss. "Ja ich spüre in dir eine starke Reinkarnation - Matt du bist einer das Auserwählten, die wir in das unendliche Universum schicken müssen damit du das vollkommene Wissen erlangen kannst." Ein paar Sekunden lang herrschte daraufhin Stille, ehe Mateo langsam seine Augen wieder öffnete und ruhig zu seinem Sushi griff.
"Naja okay vielleicht nicht ganz. Ich mache genau das gleiche wie vorher, soweit ich weiß hast du für den gleichen Auftraggeber gearbeitet wie für ich. Ansonsten fotografiere ich nach wie vor - ich weiß nicht ob du dir schon mal ein paar alte Bilder von Lilli angesehen hast, aber sie sieht noch immer kein Jahr älter aus. Wirklich erstaunlich." Matt hingegen hatte noch immer die gleichen Charakterzüge, die in etwa mit einem zu festen Schlips vergleichbar waren. "Du kannst natürlich gern mitkommen wenn sich die Lage auf der Erde wieder einigermaßen beruhigt hat, es sei denn du brauchst auch mal Urlaub von dem Wildfang da hinten."

"Keinen, den ich offen zugeben würde!" meinte Matt scherzhaft und warf Lillie eine Kusshand zu, als sich diese zu ihm umwandte und über die halbe Wand hinweg anfunkelte.
"Abgesehen davon gibt es kein entkommen vor Lillie, wenn sie das nicht will. Sie weiß sozusagen stets was man tut" er zuckte mit den Schultern, lachte. "Frauen eben - aber ich bin doch ganz zufrieden mit meinem leben! Und wie sieht es mit dir aus Mateo? Endlich die richtige gefunden? Jünger wirst du ja auch nicht mehr und du willst doch nicht später irgendwann auf Aktfotos umsatteln, weil du sonst keine hübsche junge Frau mehr dazu bekommst sich vor die auszuziehen" erklärte er und zuckte mit den Schultern.
"Ich meine, ein Kerl wie du. Um dich müssten sich doch alle Mädels reißen. Wenn du mal keine Ahnung, bei Modeshows fotografieren würdest, anstatt Kriegs- und Landschaftsfotografien zu machen würdest du bestimmt ein paar Mädels aufreißen" er unterstrich sein Argument, indem er sich eine Ikura in den Mund schob.

Nur entfernt hörte Lilliana noch, was Matt da geradewegs gegenüber Mateo vom Stapel gelassen hatte und sog hörbar die Luft ein als sie zurück ins Wohnzimmer kehrte und die Gläser auf den Tisch stellte, in der Hoffnung, sie würde ihren alten Freund damit davon abhalten, Matt gleich auf die Fresse zu hauen, wenngleich er es auch verdient haben würde. Sie verstand nicht, was mit ihm los war - weshalb er so furchtbar unfreundlich Mateo gegenüber war und eine Spitze nach der anderen fliegen ließ, als müsse er dafür sorgen, hier heraus zu stellen, dass er den Größeren hatte. Als Mateo sich ein Stück weit nach vorn bewegte, legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihn hinab auf die Couch, den Kopf schüttelnd, um ihm anzudeuten, was genau sie davon hielt, dass es hier zu weiteren Ausschreitungen kam. Sie wollte es dem alten Freund noch immer sagen, was genau sie war - wer genau sie war, wollte endlich jemanden anderen haben mit dem sie all das teilen konnte, damit aufhören sich ständig versteckt zu halten und ein niemand sein zu müssen, weil es einfach nun einmal nicht anders ging. Mateo war hier in ihrer beider Wohnung, der momentanen Zentrale ihrer beider Arbeit und damit ein weites Stück näher an ihr als es Cerberus jemals gewesen war - wenn sie jetzt einfach all das aussprach, dann würde Matt sie nicht mehr aufhalten können.
"Das sollte ich in meiner Position auch wissen", schickte sie zur Antwort und straffte ihre Haltung noch einmal ehe sie hinüber zu einem der Sessel trat und sich darauf sinken ließ, die Beine übereinander schlagend während sich ein wissendes Lächeln auf ihrem Gesicht wiederfand und darauf haften blieb, als wäre es dort eingemeißelt worden. Es war vorbei mit all dem Versteckspiel - sie konnte Mateo vertrauen, das wusste sie und wenn sie schon mit ihm gemeinsam nach Spanien reiste, dann musste sie lernen ihm blind zu vertrauen. "Immerhin arbeitet ihr beide ja mit mir zusammen", setzte sie hinterher und streckte sich ein Stück nach vorn, um ihr Weinglas aufzunehmen während ihr Blick einen kurzen Moment lang den Rotwein darin musterte und sich schließlich zurück zu den beiden Männern wandte, die bei ihr saßen.

"Also" Matt zog die Luft ein und warf Lillie einen Blick zu, hoffte beinahe das der Fotograf nicht verstand was seine Lebensgefährtin meinte, wenngleich er auch spürte wie sein Herz schneller zu schlagen begann. Was war denn auf einmal mit ihr los? Sie konnte doch nicht... herumlaufen und alten Bekannten sagen wer sie wirklich war.
Es war weniger, dass er dem Fotografen nicht vertraute - aber es gab eine goldene Regel für den Broker. Niemand wusste er er war. Das Matt wusste wer sie war, mit ihr zusammen lebte und vielleicht sogar ein Kind erwartete reizte diese Regel schon ziemlich aus. Aber ein weiterer Mitwisser?
Vor Matts Augen spielten sich die unterschiedlichsten Horrorszenarien ab, was das nun für sie bedeuten konnte und keine einzige davon wirkte sonderlich erstrebenswert.
"Noch.. Sushi?" fragte er, wenngleich er nicht einmal wusste ob ihm überhaupt jemand zuhörte. Er schloss kurz die Augen. Was hast du nur gerade getan Prinzessin?

Man konnte förmlich hören wie langsam die Zahnräder in Mateos Kopf ineinander griffen und anfingen zu arbeiten, während er Lilli nur skeptisch betrachtete. Für einen Augenblick hatte er noch mit sich gekämpft um sich zu beruhigen und Matt nicht doch einmal darauf aufmerksam zu machen wie er für gewöhnlich auf so etwas reagierte. Jedoch hatte er ihn bereits so in Erinnerung gehabt, sonderlich oft war er ihm nie über den Weg gelaufen und bisher war auch alles zwischen den beiden gut gegangen, was jedoch vermutlich auch daran lag, das sie nie viel miteinander zu tun gehabt hatten.
Er tat es schließlich, auch wenn ihn das selbst nicht wirklich zufrieden stellte, einfach mit einem Kopfschütteln ab - sah stattdessen weiter fragend Lilli an.
Sie hatte auf seine Frage, was sie denn jetzt tat nicht geantwortet, das im Cafe wohl nicht der richtige Platz dafür war und das es noch einiges zu besprechen. Langsam jedoch fiel der Schleier, auch wenn Mateo noch eine ganze zeit lang mit seiner Ungläubigkeit kämpfte. Sie hatten jahrelang selbst für den Broker gearbeitet, dessen war er sich bewusst - danach jedoch hatte er sie nicht mehr gesehen. Und schlussendlich - er hatte nie gewusst wer der Broker war. "Aber ... nein, das .." Die Chance war so verschwindend gering und er wollte bei weitem nicht seltsam da stehen, wenn er seine Vermutung erst einmal ausgesprochen hatte, doch aus irgend einem Grund, den er sich selbst nicht genau erklären konnte, tat er es trotzdem. "Du bist der Broker Lilli?"

Lilliana lächelte und zeigte ein kurzes Nicken während ihr Blick weiterhin auf dem alten Freund lag, welcher noch immer sichtlich damit zu kämpfen hatte, was sie ihm soeben gerade eröffnet hatte. Auf der anderen Seite spürte sie Matts Blick, welcher einer gänzlich anderen Natur war als jener, den Mateo ihr hatte zukommen lassen - er war nicht begeistert über das, was sie getan hatte, verstand nicht, weshalb sie so offen mit alledem umgegangen war und hielt es offensichtlich für einen Fehler - sie selbst allerdings fühlte sich in jenem Moment freier als jemals zuvor in ihrem Leben. Es war Erleichterung dieses Geheimnis mit jemandem teilen zu können, den sie seit jeher als guten Freund und engen Vertrauten bezeichnete und dem sie glauben konnte, dass er sie nicht einfach so verraten würde. Mit einer Handbewegung schwenkte Lilliana das Rotweinglas in ihrer Hand und schrägte den Kopf ein Stück weit an, während sie auf die weitere Resonanz wartete und sich dann schlussendlich dazu entschied, einen Schluck aus dem Glas zu nehmen ehe sie jenes wieder auf dem Wohnzimmertisch abstellte, nur um sich wenig später erneut ein Stück zurück zu lehnen. Es war beinahe süß, wie verwirrt sie den alten Freund mit dieser Offenbarung zurückgelassen hatte und wie sehr er offensichtlich noch an der ganzen Geschichte zu knabbern hatte.
"Wobei ich ehrlichkeitshalber eingestehen muss, dass es nicht sonderlich einfach war", führte sie ihre Geste in Worten fort und ließ ihren Blick hinüber zu Matt wandern, welchem sie ein kurzes entschuldigendes Lächeln zuwarf, in der Hoffnung, er würde ihr diese Dummheit einfach verzeihen können, ohne in allzu lange Diskussionen mit ihr zu verfallen, die letzten Endes in nichts außer einem handfesten Streit enden würden. "Was denkst du, weshalb ich mich all die Zeit nicht habe bei dir melden können?", hakte sie schlussendlich nach und löste ihre Arme aus der kurzzeitigen Verschränkung, in welche sie sie vor einigen wenigen Sekunden gelegt hatte, nur um sich mit dem Zeigefinger einen verirrten Tropfen Rotwein aus dem Mundwinkel zu streichen ehe sich ihre Lippen erneut zu einem Lächeln formten.

"Warte - du willst mir sagen das du also momentan, nein ... nein das kann nicht möglich sein. Ich meine ich habe nach wie vor für den Broker gearbeitet, jahrelang ... und du hast nie etwas von dir hören lassen..." Man griff in großen Stresssituationen meist auf altbewährte Methoden zurück, um mit dem Stress fertig zu werden. Für ihn war dies als Kind stets das Kauen auf der Lippe gewesen, bereits nach ein bis zwei Tagen hatten Ober und Unterlippe vollkommen zerschunden ausgesehen. Genau dies war auch jetzt der Fall - wobei sein Blick immer wieder zwischen Matt und Lilli hin und her wanderte. "Okay also, warst du etliche Jahre die Person, von der ich das Geld bekommen habe und die die Informationen von mir bekommen hat - nett." Es erklärte die teure Inneneinrichtung und den kritischen Blick von Matt, der wohl nach wie vor befürchtete, dass Mateo sie beide im Nachhinein verriet. Die Befürchtung war durchaus nachvollziehbar, allein die Information über den Broker, wer sie war und wo sie sich derzeit befand wäre wohl mehrere Milliarden wert. Jedoch reizte ihn nicht einmal ansatzweise etwas an diesem Gedanken. Für ihn war Lilli irgendwann zu einer art kleinen Schwester und zeitgleich guten Kameradin geworden, die er damals um keinen Preis der Welt hatte missen wollen, sie jetzt einfach so aus Habgier zu verraten - er würde sich schäbig vorkommen, erst recht nachdem Lilli ihm derart viel vertrauen entgegen gebracht hatte. "Ich sollte wohl für danken das du es mir erzählt hast. Ist sicherlich nicht einfach mit der Identität immer sicher zu bleiben."

"Ganz und garnicht einfach" bestätige Matt mit einem säuerlichen Unterton in der Stimme. "Wir haben wirklich alles getan, damit es auch ein Geheimnis bleibt und es hat uns Schweiß, Tränen und vor allem anderen Blut gekostet um so weit zu kommen wie wir jetzt sind" erklärte er und schloss die Augen, lehnte sich zurück in der Hoffnung, dass ihn das irgendwie beruhigen würde.
Jetzt war es sowieso zu spät und wenn er nicht gerade an die Pistole im Arbeitszimmer kam und einen von Lillies besten Freunden vor ihren Augen erschießen wollte, dann würde sich nun auch nichts mehr daran ändern lassen.
Lillie indes vertraute Mateo voll und ganz - das sah er ihr einfach an. Erkannte es in der Art in der Sie ihn betrachtete, der Offenheit die sie ihm entgegen brachte.
"Nunja, seis drum!" erklärte er und zuckte mit den Schultern. "Aber glaub mir - ich habe bereits unter dem vorherigen Broker gearbeitet und Lillie ist tausend mal begabter!"

Lilliana ließ dem anderen lediglich einen giftigen Blick zukommen, in welchem bereits deutlich geschrieben stand, dass er, wenn er sich jetzt nicht gleich wieder einbekommen würde, die längste Zeit gemeinsam mit ihr hier zusammen gelebt hatte und für einen kurzen Augenblick dachte sie darüber nach, ob es etwas bringen würde, wenn sie dem anderen jetzt einfach den Inhalt ihres Weinglases überschütten würde. "Compórtate! ¿Tienes que ser tan grosero?", fauchte sie lediglich finster, nicht einmal gänzlich bemerkend, dass sie inzwischen wieder in ihre eigentliche Muttersprache hinein gewechselt war, welche noch immer als deutlicher Akzent in jedem Satz mitschwang und die der Grund dafür war, aus dem sie es einer Computerstimme überlassen hatte, die Sprachnachrichten des Shadow Brokers zu übertragen. Sie hatte diesen Akzent niemals abgelegt, war doch für lange Jahre diese Sprache das Einzige gewesen, worin man sich mit ihr unterhalten hatte und auch in ihrem späteren Leben und der Zeit auf Omega hatte man es für Exotisch und Besonders gehalten und sie davon abgebracht in der Gemeinsprache zu sprechen, wenngleich sie auch jene durchaus verstand.
Kopfschüttelnd erhob sie sich in einer einzigen Bewegung von ihrem Platz und griff nach ihrem Weinglas, nur um selbiges in einem einzigen Zug zu leeren und das leere Glas wieder zurück in die Küche zu stellen, wo sie an der Arbeitsplatte stehen blieb und ihre Hände zu Fäusten ballte, während sie sich zu fragen begann, warum Matt das alles tat. Weshalb er ihr das madig machte, wozu sie sich gerade erst entschieden hatte und was für sie eine Chance auf ein gewöhnliches Leben war - ein Leben, das sie sich all die Jahre so sehr gewünscht hatte und das er ihr doch eigentlich versprochen hatte.

"Lilli?" Zu viel mehr war er im ersten Augenblick nicht gekommen und kurz darauf hatte sie sich bereits in die Küche aufgemacht. Er konnte sich noch sehr genau daran erinnern war es bedeutete, wenn sie ins spanische verfiel und für gewöhnlich brauchte sie danach erst einmal eine gute Stunde bis sie wieder einigermaßen zu atmen gekommen hatte. "¿Siempre eres gilipollas tan simpático?" Fragte Metaeo nun kurz darauf, nicht weniger aufgebracht und noch immer versucht, dem anderen einfach einen gezielten Schlag zwischen die Augen zu verpassen und mit einer gewissen Zufriedenheit das leise Knacken der Nase hören zu können. Sie hatten sich schon damals nicht wirklich gut verstanden, vermutlich hatte er in ihm immer eine Art Nebenbuhler gesehen und das anscheinend viel zu große Ego des Franzosen hatte sich dadurch angegriffen gefühlt. Das dem nicht so war hatte er oft genug versucht zu erklären, jedoch hatte es ihn nie sonderlich gekümmert.
Er unterließ es jedoch, ballte stattdessen nur still die Hände und blickte kurz zur Küche, aus der einige klirrende Geräusche zu hören war, die man recht einfach zuordnen konnte. Ob es bei ihnen öfter so aussah oder ob das wirklich nur wegen ihm so war - nun laut Lillis Aussage war er anscheinend immer so, jedoch griff auch sie wenn sie erst einmal in Rage war zu Aussagen, die so eigentlich nicht korrekt waren. Nichts desto trotz blieb der geleckte Affe, der inzwischen von dem Sofa aufgestanden war ein Unsympath sondergleichen.

Matt schüttelte nur den Kopf. Was sollte er dazu denn noch sagen?
Zwei Spanier, der eine Temperamentvoller als die andere und er selbst als Zwitter zwischen Europäer und Amerika verstand weder den einen noch die andere - zumindest was das Temperament anging.
Er wusste natürlich, wie Lillie tickte. Wusste, wie sehr sie sich ein normales Leben wünschte aber... es ging hier um sie beide. Sie konnte nicht einfach rumlaufen und irgendwelchen alten Freunden ihr großes Geheimnis preis geben ohne wenigstens vorher mit ihm zu reden.
Er setzte sein Leben genauso wie sie aufs Spiel - er machte das selbe durch wie sie. Aber es brachte nichts jetzt darüber zu reden. Das Kind war in den Brunnen gefallen und er konnte nun nichts mehr daran ändern. Ihr nun nachzulaufen brachte nichts und erniedrigen würde er sich erst recht nicht. Das klügste war, die Sache ruhen zu lassen bis sie sich beide beruhigt hatten um noch einmal im klaren Kopf darüber zu reden und alles zu klären. Es war nicht das erste Mal, das ihr Temperament durchging und Matt hatte die Erfahrung gemacht, das gegen ihr Feuer nur kühler Pragmatismus half.
"Ich geh etwas Wein für heute Abend kaufen Lillie!" meinte er nur und stand auf. "Ich lieb dich" setzte er noch hinterher, während er sich die Schlüssel aus der Schale an der Tür angelte und hinaus ging. Frische Luft - das brauchte er. Abstand, Sie beide.
Es war nicht so, als wäre etwas schlimmes geschehen. Aber nun aufeinander zu sitzen würde alles eskalieren lassen

Matt goss sich langsam den Rotwein in das große Burgunderglas, welches nach oben hin viel Luft bot um das Aroma des Weines auffangen und ausbreiten zu können. Doch Matt brach diese eiserne Regel, füllte das Glas beinahe bis zum Rand, ehe er das Glas mit einem mal kippte.
Er verschluckte sich, hustete und verzog das Gesicht als der Alkohol stärker als gewohnt in seiner Kehle brannte während er den Blick über den Präsidiumsring gleiten ließ und schließlich am Ratsturm hängen blieb, dessen Fahrstuhl etwa ab dem zwanzigsten Stock einfach fehlte.
James und Alexandra Young waren tot - doch fühlte sich Matt nicht gut dabei und wenn er ehrlich war, kletterte die Kälte seine Glieder hinauf. Das war nicht die Lillie die er liebte. Es tat ihr nicht gut, es brachte ihr keinen Frieden und er wusste das all dies ein böses Ende nehmen würde.
Er massierte sich die Nasenwurzeln - aber was sollte er tun? Sie würde nicht auf ihn hören - würde vielleicht sogar glauben, dass er sie nicht mehr unterstützte. Sie war instabil was Cerberus anging... so sehr ihn auch dieses Wissen schmerzte.
Er öffnete sein Universalgerät, drehte den Regler und langsam verdunkelte sich die schusssichere Scheibe während er einen Blick zum Arbeitszimmer hin warf, aus welchem Licht drang. Le coeur a ses raisons que la raison ne connaît point er seufzte und stellte das Weinglas langsam wieder auf die Anrichte. Ihm dröhnte der Kopf und sein Arm, der noch immer verstaucht war schmerzte.

Matt hatte gespürt, dass etwas nicht stimmte.
Hatte dies von Anfang an gespürt, seit jenem Moment an welchem Lillie nicht wie besprochen daheim aufgetaucht war. Sie war die gesamte Heimfahrt über ruhig gewesen, hatte nur starr gerade aus gesehen, einsilbig auf die wenigen Fragen geantwortet, die er an sie gestellt hatte und so war er schließlich dazu übergegangen ihr keine Frage mehr zu stellen.
Als sie schließlich daheim ankamen nahm Matt sein Jackett ab, warf dieses über Lillies nackte Schultern, die von ihrem Kleid nicht bedeckt wurden und zog sie sanft mit sich zur Couch, wo er sie einfach nur hinsetzte, sich neben sie sinken ließ.
Er wusste nicht was geschehen war, wusste nur das etwas an ihrer Art - etwas an ihr nicht stimmte. Er legte langsam einen Arm um ihre Schulter, zog sie näher an sich und küsste ihr sanft die Stirn.
Er sagte nichts, wollte Sie nicht zu etwas drängen. So saßen Sie beide dort, alleine und in Stille während das Licht der beginnenden tages durch das Fenster fiel und den Staub tanzen ließ

Es war zu viel - es war einfach nur zuviel, das gerade auf sie eindrang, als sie ihre Hand ausstreckte und sie langsam hinauf zu der Schulter des anderen wandern ließ, ihre Fingernägel dort hinein krallte und sich enger an Matt presste, die Augen schließend, weil sie ihm nicht in die Augen sehen wollte. Sie hatte es ihm zuerst nicht erzählen wollen, hatte keinen einzigen Ton über ihre Lippen bringen wollen, doch spätestens jetzt als er sie festhielt, brachen alle Dämme ein, die sie zuvor noch aufrecht gehalten hatte und ein leises Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, für das sie sich bereits in der nächsten Sekunde wieder verfluchte. "Es tut mir leid ...", flüsterte sie heiser während sie ihr Gesicht an seiner Schulter barg und den vertrauten Geruch einsog, der ihr einmal gesagt hatte, dass sie in Sicherheit war - aber heute, hier und jetzt, fühlte sie sich ausgeliefert und vollkommen überfahren, überfordert von der gesamten Situation, mit welcher sie ganz und gar nicht zurecht kam. "... es tut mir so leid ...", wisperte sie heiser und immer wieder wurde ihre Stimme von dem leisen Schluchzen unterbrochen während Tränen ihre Bahnen über ihre Wangen zogen und das wenige Make-Up verschmierten, das nach der letzten Nacht noch übrig gewesen war.
"Ich ... ich hätte nicht gehen sollen ... es tut mir leid ... ich wollte nicht", versuchte sie ihm händeringend irgendetwas von alledem zu erklären, den Blick nicht einmal hebend, weil sie den Ausdruck in seinen Augen nicht sehen wollte - nicht die bittere Gewissheit darüber sehen wollte, wenn er registrierte, was genau geschehen war. Was war sie denn bitte? Sie war nicht mehr als die Hure, die sie früher einmal gewesen war und als nichts anderes war sie auch behandelt worden, nichts anderes hatte sie verdient. Das alles hier - wie hatte sie nur glauben können, dass sie einmal ein ganz gewöhnliches Leben führen konnte? Dass es irgendwann einmal vorbei sein würde? "... er ... er wollte" Erneut brach ihre Stimme und verzweifelt biss sie sich auf die Lippen, um jedweden weiteren Ton zu ersticken, den sie noch hätte produzieren können und der sie weiter daran gehindert hätte alles zu erklären. "... mein altes Ich ... er hat gesagt, er wüsste, wer ich bin ... wer ich wirklich bin ... es tut mir so leid ... so leid ..."

Matt zog sie enger an sich, strich ihr sanft über die Haare und blieb erst einmal ruhig während bei ihr alle Dämme brachen. Er hatte es gewusst, irgendwo tief in sich gewusst - eine Stimme, die er hatte von sich schieben wollen.
Er schüttelte den Kopf und schluckte kurz während er versuchte die richtigen Worte zu finden. Was fühlte er gerade? War er wütend? Vor den Kopf gestoßen? Nein... was er spürte war eine seltsame Leere und ein brennender Zorn, welcher jedoch in keinster Weise auf die Frau abzielte, die hier in seinen Armen lag.
"Du bist diejenige, die du zu sein beschlossen hast. Du und ich Lilly - wir sind der Broker" erklärte er ihr leise und drückte sie enger an sich, spürte wie ihre Fingernägel sich tief in sein Fleisch gruben. Wie hatte er sie nur so im Stich lassen können? Doch Selbstvorwürfe brachten Sie nicht weiter - er musste ihr Fels in der Brandung sein, wie er es sooft gewesen war. "Lilliana Alvarez - ich liebe dich. Vom ersten. Bis zum letzten Tag!"

"... das solltest du nicht ... du solltest eigentlich mit jemandem glücklich sein ... du solltest einfach gehen und wütend sein ... ich hab das verdient ...", versuchte sie ihm sacht zu widersprechen, wenngleich auch jedweder Enthusiasmus aus ihrer Stimme gewichen war und die Worte wenig überzeugend über ihre bebenden Lippen drangen. Nur allzu gern ließ sie sich enger an ihn heranziehen, löste ihren Griff lediglich kurz um noch einmal umzugreifen und sich dann wieder an Matt zu vergraben und den zweiten Arm auch um ihn zu schlingen während sie nur bereitwillig wahrnahm, wie ihr die dunklen Haare ins Gesicht fielen und jeden Blick auf ihr tränenverschleiertes Gesicht verbargen. "... ich hätt nicht gehen dürfen ... ich hätte bleiben sollen ... ich tu euch beiden doch nur weh. Ich ... ich bin nicht gut für euch ...", setzte sie noch nach in der Hoffnung ihre Worte würden den anderen davon überzeugen einfach aufzustehen und zu gehen, sie selbst hier allein und mit ihren Gedanken zurück zu lassen, damit sie sich wieder dem zuwenden konnte, wofür sie scheinbar in dieser Welt existierte und als was sie jeder andere auch nur sah. Sie war nichts anderes als jemand, den man für seine Dienste bezahlte ... sie war nichts anderes als die Hure, die sie immer gewesen war. Der Broker, Matts und ihre gemeinsame Zukunft - das war doch alles nur ein schöner Traum gewesen bis die Wirklichkeit sie wieder eingeholt hatte.
"... es tut mir so leid ...", wiederholte sie noch einmal leise und schüttelte den Kopf. Sie liebte Matt, liebte ihn für das, was er war und wie er sich gab - liebte ihn für seine Unterstützung und seine Hilfe, aber sie machte ihn kaputt. Sie zerstörte ihn systematisch mit all ihren Problemen und Ängsten, die sie immer wieder gefangen nahmen und sie starr werden ließen, unfähig werden ließen sich zu wehren oder um Hilfe zu rufen. "... es tut weh ..."

"Ich weiß" meinte Matt leise, schlang die Arme um sie und zog sie enger zu sich. Spürte ihr Herz welches wie Wild gegen ihre Brust schlug, während sein eigenes ruhig und gleichmäßig Blut durch seinen Körper pumpte.
Was hatte Mateo ihr nur angetan? Es hatte Jahre gedauert die Hure aus dem Mädchen zu kriegen das vor ihm saß. Es hatte so lange gebraucht, bis er sie endlich aufgerichtet hatte. Sie hatten soviel erreicht - der Broker. Der Fall von Cerberus. Der Rat.
Und nun? Mateo hatte sie gezwungen zur Hure zu werden, hatte die schöne und starke Frau zerstört.
"Du tust niemandem weh" erklärte er ihr leise. "Es sind die anderen, die dir wehtun" erklärte er ihr leise und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
"Aber er wird dir nicht mehr weh tun - niemand wird dir jemals wieder wehtun. Dafür Sorge ich" schwor er ihr und seine Stimme war ernst, entschlossen wenngleich sie auch vor unterdrückter Wut zitterte. Er würde Mateos Leben zerstören - alles vernichten was sich der Fotograf jemals aufgebaut hatte. Von jetzt auf gleich - Matt würde dafür sorgen, dass niemand auf seiner Beerdigung auftauchte, dass sein Nachruf voll Häme und Hass sein würde.
Niemand tat Lilli weh - niemand.

Sie hatte all das nicht verdient, hatte nicht verdient, dass Matt sich jetzt so sehr um sie kümmerte und sie festhielt, hatte nicht verdient, dass er wegen ihr zornig war und den anderen zur Verantwortung ziehen wollte - sie hatte nicht verdient, dass er trotz allem, was geschehen war, noch immer hier saß und sich um sie sorgte, aber nichts desto trotz. Sie war ihm dankbar dafür - dankbar dafür, dass er ihr den Rücken stärkte und sie nicht allein ließ, sich nicht von ihr abwandte und sie vor allem jetzt nicht los ließ. "Bleib bei mir ... lass mich nicht los", flehte sie leise und löste nur langsam ihre verkrampften Finger, um sich über die tränennassen Wangen zu streichen und damit jedwede Spur all dessen fortzuwischen, die geblieben war als ihre Selbstbeherrschung den Bach herunter gegangen war und ihr eigentliches Ich weinend und schluchzend auf dem Boden zurück gelassen hatte.
Noch immer tat ihr alles weh, ihre Beine schmerzten und die Nerven waren vollkommen übersteuert, schmerzten, wann immer ein einzelnes Kleidungsstück ihre bloße Haut striff und ließ sie immer wieder zusammen zucken, sich näher an Matt pressen, als könne er wirklich dafür sorgen, dass dieser Schmerz verschwand - ihr Unterleib tat weh, krampfte immer wieder und immer wieder musste sie sich auf die Lippe beißen, um jeden weiteren Ton zu unterdrücken, der sonst verräterisch gewesen wäre und Matt vermutlich nur noch mehr Zunder gegeben hätte.
"Lass mich nicht allein ...", bat sie ihn noch einmal ehe sie sich kurz von ihm löste, nur um sich zu ihm nach oben zu strecken und in einen verzweifelten, haltsuchenden Kuss zu versinken, von dem sie sich erhoffte, hier wieder die Sicherheit zu finden, die ihr verloren gegangen war. Sie brauchte ihn, wurde ihr einmal mehr klar als sie sich erneut an ihn heran drückte und seinen ruhigen Herzschlag an ihrer Brust spürte - brauchte ihn bei sich, seine Arme, die um sie lagen und sie festhielten, sie vor der Welt abschirmten, in welche sie Mateo wieder gerissen hatte und aus der sie noch keinen Ausweg sah.

Matt ließ sie nicht los. Würde sie niemals loslassen und nun, da sie so flehend danach verlangte, dass er da war - das sie jemanden hatte, auf den sie sich stützen und sich verlassen konnte - da würde er sie niemals im Stich lassen.
Mateo rannte ihm nicht davon und die erste Wut die Matt nun im Bauch spürte würde ihm auch nicht helfen, würde vielleicht sogar zu Fehlentscheidungen führen. Und wenngleich er seine Rache auch herbei sehnte, so wusste er doch das er Lilly nicht allein lassen konnte.
Ja, nicht allein lassen wollte.
Seine Hände griffen nach den ihren, er erwiderte ihren zaghaften Kuss, intensivierte ihn ein wenig um ihr zu vermitteln, dass er da war - keine Puppe, kein Stück Fleisch wie jenes als das Mateo sie behandelt hatte. "Ich liebe dich" flüsterte Matt leise und die beiden sanken langsam auf die Couch, die von selbst die Rückenlehne umgeklappt hatte, als sie den sanften Druck bemerkte.
"Über alles"

Nur allmählich und erst Stunden später kam ihr Herz langsam wieder zur Ruhe und noch einmal drückte sie sich enger an Matt, wollte ihn nicht loslassen und nicht auch nur einen einzigen Millimeter von ihm weg weichen, wenngleich sie auch irgendwann während der vergangenen Stunden den Wunsch geäußert hatte, wenigstens ins Bad gehen zu können, um den Dreck abzuwaschen, den sie glaubte auf ihrer Haut zu spüren. Das warme Wasser hatte weh getan als es die aufgerissenen, teilweise aufgescheuerten Stellen auf ihrer Haut berührt hatte, aber von alledem hatte sie Matt nichts zeigen wollen, hatte ihm nicht noch mehr Sorgen machen wollen als es ohnehin schon der Fall war und so hatte sie tapfer die Zähne aufeinander gebissen und das Blut weggewischt, das halb getrocknet auf ihrer Haut prangte und ein mehr als deutliches Zeichen all dessen war, was geschehen war. Inzwischen lag sie eingerollt wieder neben Matt auf der Couch und hatte ihren Kopf auf seiner Schulter abgelegt, einen Arm fest um ihn geschlungen während ihre zweite Hand seine Hand umschlossen hielt und eine dicke Decke über sich, die sie sowohl vor der äußeren, wie auch vor der inneren Kälte schützen sollte, die sie in ihrem Inneren spürte und die sich nur schwerlich fortzuschieben schien. Es tat ihr noch immer leid und noch immer spürte sie die Schuld in ihrem Inneren, spürte, wie sich die Erinnerung an den letzten Abend wie ein Stachel tief in ihr eigenes Fleisch grub und sie von dort aus aufzufressen schien - sie hatte ihn enttäuscht, hatte ihn glauben gemacht, er könne ihr vertrauen und nun? Jetzt lag er ihr bei ihr und stand ihr bei, obwohl sie das niemals von ihm verlangt hätte.
"Ich liebe dich", wisperte sie nach einer Weile, in welcher sie vollkommen still gewesen war und wagte es langsam den Kopf zu ihm hinauf zu heben und seinen Blick zu streifen. Es hätte alles nicht geschehen dürfen, sie hätte niemals gehen dürfen, sie hätte sich niemals darauf einlassen dürfen, hätte Matt alarmieren müssen, bevor alles geschehen war, aber es war zu spät. Es war geschehen und nun lagen sie hier und Lilliana wusste nicht, wohin mit sich und wie es weitergehen würde - ob Matt weitermachen konnte oder auf ewig daran denken würde, was vorgefallen war. Ob er ihr wieder vertrauen konnte, ihr jemals wieder in die Augen sehen konnte.

"Als du gerade eben im Bad warst habe ich nachgedacht" erklärte Matt, der wusste das dieses Thema besprochen werden musste - auch wenn keiner von ihnen beiden dies wirklich wollte. Aber er konnte zugleich nicht zulassen, das sich eine Mauer zwischen ihnen aufbaute die mit jedem Moment höher werden würde, ehe sie beide daran verzweifelten.
"Ich habe versucht dir die Schuld zu geben - dich zu hassen. Habe versucht meine Gedanken in diese Richtung zu lenken, aber egal was ich gemacht habe" er hielt inne, sah noch einmal zu ihr hinab wie sie halb auf seiner Schulter lag.
"Ich konnte es nicht. Konnte keine Wut und keinen Groll gegen dich empfinden und... ja... ich liebe dich. Und... wenn all das vorbei ist, wenn... wir alles geklärt haben und du immer noch..." er lächelte. "Ich will immer noch eine Familie, immer noch mit dir zusammen sein. Es hat sich nichts geändert zwischen uns. Nicht für mich"

Mit missmutiger Miene saß Lilliana, eingehüllt in dicke und bequeme Kleider vor ihrem Terminal und beobachtete den Börsengang skeptisch, wie die Aktien fielen und wieder stiegen, welche Firmen sich hier hoch gearbeitet hatten und wie die Börse der Citadel schlussendlich vollkommen zusammen gebrochen war. Danach hatte ihr Terminal nicht mehr still gestanden, Agenten verlangten nach Anweisungen, Firmen nach Erklärungen und letztendlich war ihr nicht sehr viel mehr übrig geblieben als die Börse und die Werte durch Einlagerung von Eigenkapital und Neukauf von Aktien wieder zu stabilisieren, um die Preise hoch zu halten. Sie wusste ganz genau, wem sie das zu verdanken hatte, wusste ganz genau, dass dort draußen in der Galaxie noch ein alterskranker Mann saß, der nur darauf wartete, dass sie einen Fehler machte und wann immer sie darüber nachdachte, was geschehen würde, wenn sie Harper endlich vor sich hatte, stahl sich ein kaltblütiges Lächeln auf ihre Züge, welches nur schwerlich wieder davon weichen wollte. Das tat es schließlich erst als die Nachricht von Eli Taylor sie erreichte und sie sich nur wenig später im falschen Film zu sein glaubte. Er wollte bitte was? Er wollte wirklich die kleine Tochter des Unbekannten und dessen Ärztin?
Misstrauen regte sich in der jungen Frau während sie ein ärgerliches Schnauben von sich gab und den Kopf schüttelte, sich nur mühselig zusammen riss um keinen wüsten Fluch auszustoßen, welchen sie höchstwahrscheinlich in ihrer Muttersprache von sich gegeben hätte, die ihr während der letzten paar Tagen seltsam fremd und unheimlich geworden war, nach allem, was geschehen war. Taylor wollte dafür wirklich jeden Preis bezahlen. Dennoch musste sie ganz genau abwägen, welche Informationen sie dem Waffenhändler gab und welche Summe sie dafür forderte - ihr Kapital war angekratzt durch den Börsencrash und im Grunde genommen konnte es ihr nur Recht sein, wenn Taylor ihr die beiden auf dem Silbertablett präsentierte. Was die Absolution anging, würde sie mit ihm noch einmal verhandeln müssen, wenn es soweit war. Mit einem einzigen weiteren Tastendruck übermittelte sie dem Waffenhändler die Daten über den Aufenthaltsort von Rebecca, welche sie nach der Flucht aus dem C-Sec-Hauptquartier ebenso hatte überwachen lassen, wie sie es auch mit dem Rest des Teams auf der Citadel getan hatte.
Unweit von dem Geschehen in dem Apartment, welches sich Lilliana und Matt besorgt hatten, glitt ein hochgewachsener Mann zu Boden und presste sich eng auf den Boden während er noch einmal die Halterung seiner Black Widow überprüfte, die er mit hierher gebracht hatte. Er schob sich ein Stück näher zu dem Zielfernrohr und ließ seinen Blick über das Restaurant gleiten, in welchem die Zielpersonen saßen und sich bislang noch nicht groß bewegt hatten - es war der perfekte Ort und als schließlich der Befehl seines Auftraggebers kam, legte er an und schoss.