Hangar

Hastig eilte sie durch die langen Gänge, die hinab zum Hangar führten und scherte sich dabei nicht im Geringsten um die Tatsache, dass hinter ihr große, metallene Tatzen immer wieder auf dem Boden aufschlugen, als Wolf versuchte noch mit ihr Schritt zu halten und dabei ebenfalls ins schnelle Laufen verfallen war. Sie kümmerte sich nicht um die fragenden Blicke der Soldaten, an denen sie vorbei rannte, geschweige denn, dass sie auf irgendeine Frage reagierte, die man ihr stellte oder anhielt - jedweden Arm, der nach ihr griff, striff sie schlichtweg wieder ab und ließ einen finsteren Blick folgen, machte im Stillen einen Vermerk in ihrem Geiste später noch einmal ein ernstes Wort mit dem Soldaten zu sprechen - ihn zu fragen, was er sich denn eigentlich einbildete, sie einfach so aufzuhalten. Eine der großen Türen öffnete sich vor ihr und frische Luft zog ihr übers Gesicht, wehte ihr ein paar blonde Strähnen hinein, welche sie unwirsch wieder fortwischte ehe sie unmittelbar auf den kleinen Trupp Soldaten zuhielt, in deren Mitte ein hochgewachsener junger Mann stand und wenig berührt durch den großen Hangar blickte.
Unweigerlich bahnte sich ein weiches, warmes Lächeln auf ihre Züge ehe sie die Hände hob und sie dem anderen über die Augen legte, ihr Kinn auf seine Schulter aufstützend und treuherzig zur Seite blinzelnd, weil sie wusste, dass er diese Bewegung durchaus bemerken würde, selbst, wenn sie ihm gerade die Augen zuhielt. "Ich würd ja sagen, rate, wer ich bin ... aber das Spiel macht mit dir keinen Spaß", sagte sie leise und leise Belustigung schwang in ihrer Stimme mit ehe sie ihre Hände wieder von seinen Augen löste und einen halben Schritt zurück machte. "Du wolltest doch nicht etwa gehen, ohne dich von mir zu verabschieden, oder?", hakte sie dann nach und schrägte den Kopf an während ihre Augen noch einmal über sein Gesicht wanderten und dort jede noch so kleine Regung des anderen genau wahrnahmen.

"Ich habe dir eine Nachricht geschickt" meinte Daniel welcher Becca einen missverständlichen Blick zuwarf. "Laut allgemeinen Gepflogenheiten habe ich damit sämtliche Pflichten erfüllt. Mir war nicht bewusst, dass abgesehen von meiner Nachricht die du dir nicht angehört hast noch weitere nicht optionale gesellschaftliche Konventionen anstehen" erklärte er in ruhigem, sachlichen Ton während er dabei zusah wie größere, stärkere Männer als er seinen halben Hausrat in das Shuttle trugen.
"Hallo Becca" warf er dann jedoch noch hinterher und tippte ihr kurz auf die Nase.
"Ich nun. Auf wiedersehen" erklärte er schließlich und schien allgemein etwas überfordert mit der Situation, welche zwischenmenschliche Gaben erforderte welche er nun wahrlich nicht besaß. Er kratzte sich am Nacken und schenkte Rebecca ein knappes Lächeln.
"Du hast heute versucht ein Shuttle zu entführen" meinte er auf einmal unvermittelt. "Du wurdest aber nicht aufgehalten, sondern hast aufgehört weil du auf die Uhr gesehen hast" erklärte er. Als er ihren verdutzten Blick sah zuckte er mit den Achseln. "Du hast etwas Öl am kleinen linken Finger, du achtest stets auf dein äußeres, also kann er noch nicht lange da sein, da er dir nicht aufgefallen ist. Desweiteren ist da eine kleine Beule in deiner Hosentasche, Schraubendreher würde ich meinen - die benötigt man um die Abdeckung der SIcherheitssperre in Shuttles zu öffnen. Das hast du auf dem Shuttleausflug mit deinem Vater mitbekommen, deswegen wolltest du es ausprobieren. Dann allerdings hat dein Omnitool geklingelt und dich darauf aufmerksam gemacht, dass ich fliege also bist du sofort los ohne auch nur annährend auf dein Äußeres zu achten. An der Farbe des Öls erkennt man, dass es ein Jäger der Smaller-Klasse war, den du steuern wolltest. Keine Sorge, deine Mutter erfährt nichts von mir"

"Ich hasse es, wenn du das machst", maulte die Jüngere lediglich und verzog das Gesicht, während sie ganz und gar nicht glücklich darüber aussah, dass er diese Dinge so schnell von ihr erfahren hatte, aber im Grunde genommen hatte sie eigentlich gar nichts anderes erwartet. Daniel war schon so gewesen, seit sie Denken konnte - sie kannte ihn ihr ganzes Leben lang und sie beide waren wie Geschwister gemeinsam aufgewachsen ehe er seinen Doktortitel gemacht hatte und sie auf die Grissom gekommen war, um irgendwann einmal die Position ihres Vaters einnehmen zu können. Er war der Ziehsohn ihrer Mutter und sie selbst war niemals eifersüchtig auf ihn gewesen - er war für sie einfach wie ein großer Bruder. Ein etwas merkwürdiger Bruder mit merkwürdigen Fähigkeiten, aber eben ein großer Bruder, an dem sie sich ebenfalls orientieren hatte können und von dem sie in all den Jahren doch einiges hatte lernen können. Daniel gehörte einfach zur Familie und die speiste man eben nicht nur mit einer Nachricht ab. Unwillkürlich wurde ihr Blick hinüber zu ihren Fingern gesenkt, ehe sie die Fingerspitzen aneinander rieb und dort tatsächlich noch etwas Öl entdeckte, das daran klebte - eigentlich hätte ihr klar sein müssen, dass Daniel so etwas nicht umsonst sagte.
"Eine Nachricht ist definitiv nicht zufriedenstellend", setzte sie ihm noch nach und tippte ihm sacht gegen die Brust, vermochte es jedoch nicht gänzlich ihr leises Lächeln für sich selbst zu behalten ehe sie demonstrativ den Kopf ein Stück weit nach oben reckte, als wäre sie wirklich ernsthaft darüber beleidigt, dass er einfach so hatte gehen wollen. "Du gehörst zur Familie und von Familienmitgliedern verabschiedet man sich nicht nur mit einer blöden Nachricht", schickte sie wenige Sekunden hinterher und löste die Arme wieder aus der Verschränkung, in welche sie sie vor einigen wenigen Sekunden gelegt hatte, um ihrer theatralischen Beleidigung mehr Ausdruck zur verleihen. Dann machte sie einen Schritt nach vorn und umarmte den anderen sacht.
"Versprich mir, dass du auf dich aufpasst, wenn du dich schon mit allen möglichen Leuten anlegen musst, ja?", bat sie ihn leise, nicht willens ihn so schnell loszulassen. "Ich werd dich auf jeden Fall vermissen, Brüderchen."

"Es war eine sehr hübsche Nachricht" erwiderte Daniel in ihrer Umarmung und konnte sich eines ehrlichen, herzhaften Lachens nicht gänzlich erwehren. Die ganze Situation war schon ziemlich absurd, doch er erwiderte die Umarmung sanft und bestimmt. "Aber ich werde es mir merken, keine blöden Nachrichten mehr" versprach er ihr.
Becca war ein besonderes Mädchen, jemand der nicht wie all die anderen um ihn herum langweilig war. Und er dankte ihr und ihrer ganzen Familie, die nur aus solch hervorragenden Menschen bestand, dass sie ihn bei sich aufgenommen hatte. Das Wissen, dass er unter dem persönlichen Schutz des Erleuchteten stand war doch etwas sehr befreiendes. Und Becca hatte durchaus mehr drauf, als die meisten vermuten würden. "Ich pass auf mich auf und du hälst deinen Gedächtnispalast sauber, verstehen wir uns?" fragte er, ehe er sich von ihr löste. "Wir sehen uns Weihnachten wieder!"

"Ich halt auch geheim, dass du dich wieder mit dem Broker anlegen willst", ließ sie ihn noch leise wissen ehe sie einen halben Schritt zurück machte und ihm noch einmal sacht zunickte, um das leise Versprechen noch einmal zu besiegeln. Weihnachten hatte immer schon Tradition gehabt - es hatte kein Fest gegeben, an dem auch nur ein einziger von ihnen hatte arbeiten müssen und noch heute erinnerte sich Rebecca daran, wie sehr ihr Vater immer wieder offen dagegen protestiert hatte, dass selbst er zum Nichtstun verdammt worden war. Auch heute hatte sich daran nichts geändert und irgendwo mochte sie es, dass es diese Rituale in der Familie gab, wenn sie sich so schon nur sehr selten sahen und wenig Zeit füreinander hatten - von dem kurzen Wochenausflug in der letzten Woche gemeinsam mit ihrem Vater einmal abgesehen.
"Wehe du schickst mir keine Nachrichten und erzählst mir alles, was du erlebt hast - wenn ich hier schon festsitze und lernen muss. Versprichs mir", setzte sie noch nach und zog eine demonstrative Schnute ehe sie eine Hand hob, den kleinen Finger ein Stück weit gebeugt, um zu derselben Geste zu greifen, die sie als sie Kinder gewesen waren, immer gemacht hatten, wenn Daniel sie bei irgendetwas Verbotenem erwischt hatten und er nur den Mund gehalten hatte, wenn sie ihm versprochen hatte, das nie wieder zu machen.
Irgendwo schmerzte es, ihn jetzt gehen zu lassen und sich nicht mehr zu ihm verkriechen zu können, um dort stundenlang über Dinge zu philosophieren, von denen sie ohnehin nur die Hälfte verstand, die ihr aber dennoch viele Dinge gezeigt hatten, die ihr vorher nicht aufgefallen waren. Er konnte einfach so gehen - auf das Schiff, das sie noch vor ein paar Wochen selbst geflogen war und dessen neue Crew jetzt so unglaubliche Abenteuer erlebte. Es schmerzte ihn für eine so lange Zeit verabschieden zu müssen.

tbc: für Daniel - Vancouver