Ladezonen

Oleg lächelte ob der kindlichen Freude, welche er in Natalees Augen brennen sah und deutete zu einer kleinen Hebebühne, welch man noch als eines der wenigen Objekte im Raum gelassen hatte. Auch Nathan folgte dem Blick der beiden und als er sah, was dort über der Hebebühne hing flüsterte er Natalee leise etwas ins Ohr. Dort, an einem langen, silbernen Seil war eine Sektflasche an einen der Deckenbalken gebunden worden. Natalee würde nur noch mit der Hebebühne hochfahren müssen um die Flasche an den Bug des Schiffes zu schleudern und es somit zu taufen.
"Na komm schon" ermunterte Oleg seine Tochter und klopfte ihr auf die Schulter. "Dein Pilot hat recht - unsere Ingenieure haben hier wirklich gute arbeit geleistet. Natürlich solltest du vermeiden damit in einen Asteroidensturm oder gar eine Raumschlacht zu geraten in der es jeder nur auf dich abgesehen hat, aber ansonsten ist dieser kleine Schatz hier ziemlich sicher. Außerdem ist die Vancouver aufwärtskompatibel und wurde nach meinen Informationen so gebaut, dass man auch Prototypen direkt in das System einbauen kann. Scheinbar hat Cerberus bereits einige Pläne, jedoch nicht alles fertig bekommen" erklärte er ihr. Schließlich standen sie vor der Hebebühne und Oleg hielt Natalee noch einmal am Arm zurück. "Noch eine Sache - du musst deine Ausbildung erst abschließen bevor wir dich mit dem Schiff da über alle Berge lassen!"

"Komm schon! Das kannst du mir nicht antun! Du lässt das Schiff - mein Schiff! - hierher kommen und sagst mir dann, dass ich noch nicht fliegen darf?!", entrüstete sich Natalee und zog die Augenbrauen zusammen während sie den Älteren ansah und missmutig die Stirn runzelte, ehe sie die Arme vor der Brust verschränkte und einen Schritt zurück machte, weil sie nun wirklich nicht wusste, was sie davon halten sollte. Das war nicht fair - sie hatte das Schiff jeden Tag vor Augen, aber anstatt das tun zu können, was sie am Besten konnte, sollte sie hier weiter auf dem Cerberus sitzen und trainieren, obwohl es dort draußen weit Wichtigeres zu tun gab, als das lächerliche Training? Kai war Cerberus' bester Agent gewesen und hatte noch nie verloren und trotzdem hatte sie ihn besiegt, sie hatte ihre alte Energie wiedergefunden, einen Teil der neuen Crew bereits zusammen und sollte jetzt trotzdem am Boden bleiben müssen, weil sie noch nicht bereit war? "Dad, komm schon! Bitte! Ich bin gut - ich kann auf der Vancouver genauso trainieren und Kai ist mit seiner Schwester auch auf dem Schiff. Die beiden sind gut und ich kann dort genauso weiterkommen! Bitte!", flehte sie und fühlte sich zum ersten Mal in diesem Leben einfach nur wie ein kleines Mädchen, dem man gerade sein Spielzeug wegnehmen wollte, weil es das erst an Weihnachten haben durfte. Die Vancouver war ihr Weihnachten - nur eben mit verdammt viel Feuerkraft und in Form eines Militärkreuzer.
Schnaubend ließ sie ihren Blick noch einmal über das Schiff wandern, über die kleine Flasche, die bereits dort oben am Bug baumelte und von der sie nicht einmal wusste, wie sie gerade so schnell hergekommen war. Sie würde das Schiff nicht taufen, wenn sie nicht losfliegen durfte - nicht bevor nicht die erste richtige Mission anstand und irgendwo hoffte sie immer noch darauf, dass Oleg sich würde besänftigen und einwickeln lassen. Hier zu sitzen brachte sie nicht weiter - hier auf dem Schiff zu sein brachte den Menschen dort draußen gar nichts, die sie geschworen hatte, zu schützen. Seufzend schob sie sich ein paar dunkle Strähnen hinters Ohr und machte dann ein paar Schritte zurück zu Wesson und Nathan, die noch immer am Rande der ganzen Szenerie standen und sich bisher nur wenig eingemischt hatten und erst jetzt fiel ihr auf, wie unhöflich sie sich gerade eigentlich verhalten hatte, dass sie ihren Piloten so vollkommen ignoriert hatte.

"Natalee" meinte Oleg seufzend und fühlte sich gerade so, als würde er mit Becca diskutieren. Er beneidete Laura im Moment wirklich nicht und verfluchte seine Vatergefühle sowie die Tatsache das er in der ganzen Geschichte alleinerziehend war. "Ich weiß, dass du jetzt direkt los willst - aber wir haben dennoch einige Übungen zur Geschichte vor uns. Du musst doch wissen wer gerade wo regiert, wie die diplomatischen Beziehungne und all sowas aussehen!" erklärte er ihr und massierte sich die Schläfen. Das Mädchen konnte wirklich anstrengend sein. "Wir können dir nunmal nicht das ganze Wissen einfach ins Gehirn hochladen! So funktioniert das einfach nicht!" fügte er brummend hinzu und sah ihr tief in die Augen. "Wenn du dich wirklich gut anstellst, bist du doch in etwa sechs bis acht Wochen soweit! Du darfst natürlich jederzeit ins Schiff und dich mit diesem vertraut machen! Aber solange ich keine Freigabe vom Erleuchteten erhalte darfst du die Cerberus nicht verlassen. Ich weiß was das für dich bedeutet Natalee - aber das. Das sind die Regeln über die wir gesprochen haben, erinnerst du dich? DIe, an die du dich halten musst?"

"Wer gerade regiert? Du meinst Cerberus auf der Erde und allen menschlichen Kolonien? Der Rat, der aus Turianern, Salarianern, Asari und Menschen besteht? Dad, komm schon - ich kann das alles auch noch auf dem Schiff lernen während wir unterwegs sind. Wesson wird dir bestätigen, dass die Flugzeiten lang genug sind und dass ich das immer noch lernen kann! Bitte! Du kannst mich doch nicht sechs bis acht Wochen hier einfach rumsitzen lassen, während mein Schiff im Hangar steht und vor allem kannst du den Hangar nicht so lange voll lassen", versuchte sie es erneut, wollte sich noch immer nicht geschlagen geben während sie den Älteren noch immer missmutig ansah und ein beleidigtes Schnauben hinterher schickte ehe sie noch einmal den Piloten fixierte und ihm zunickte. "Sie werden ihm das bestimmt bestätigen können, oder Wesson?", hakte sie nach und verengte die Augen für einen kurzen Moment lang, weil sie damit hoffte, wenigstens er würde ihr bei der ganzen Geschichte beistehen können und sich nicht einfach herausziehen, wie es Nathan gerade demonstrativ tat, dem sie in die Seite pieksen konnte, wie sie wollte und der sich trotzdem nicht rührte, geschweige denn den Mund aufmachte.
Sechs bis acht Wochen würden der Horror sein - sie würde sich nicht darauf konzentrieren können, langweilige Geschichte zu lernen, die sie ohnehin nicht brauchen würde, weil sie gar nicht vor hatte in die Politik zu gehen. In der Regel war sie für Missionen abkommandiert, die man bewältigte, wenn es darum ging sich mit Völkern zu unterhalten, die nicht unbedingt sonderlich viel von Cerberus oder dem Rat hielten - sie hatte sich mit einem Kroganerclan angefreundet - was sollte sie denn jetzt noch davon abhalten, einfach loszuziehen? Sie würde sich ohnehin niemals mit Ratsherren oder ähnlichen Politikern rumschlagen müssen und wenn doch, dann würde es ausreichen, wenn sie sich einfach vorher im Extranet darüber schlau machte oder eben Oleg über das Kommunikationsterminal um Hilfe fragte. "Dem Erleuchteten ist die Menschheit wichtig und dafür soll ich kämpfen. Ich dachte, ich komme ohnehin schon viel zu langsam voran und jetzt soll ich auch noch sechs bis acht Wochen warten? Ich schaff das alles!"

Smith hatte sich im ersten Moment nur verwirrt zu Natalee umgedreht, ehe er innerlich geflucht hatte. Man hatte ihn nur grob darüber in Kenntnis darüber gesetzt wer sein Captain eigentlich war und was ihn mit Cerberus verband - mehr jedoch nicht. "Oh Scheiße." Fluchte er im ersten Augenblick leise, ehe er versuchte abzuschätzen, zu welchem der beiden Lager er denn jetzt halten sollte. Sicherlich Oleg war ein Admiral mit Rang und Namen doch die junge Frau war schlussendlich sein kommandierender Captain, Oleg hingegen würde er vielleicht noch zwei drei mal im Leben sehen.
"Admiral, wen ich mich dazu äußern darf. Ich vertrete die Meinung das man die beste Erfahrung immer noch im Einsatz selbst sammelt, weshalb schicken wir sonst nur erfahrene Soldaten in höhere Ränge? Und ich muss dem Captain wirklich recht geben, man kann alles wichtige über die Politik innerhalb von ein paar Tagen lernen. Bei politischen Zwischenfällen werden uns ohnehin Berater zur Seite stehen, von daher ist nur das militärische Ausschlaggebend und was das angelangt vertrau ich ihnen voll und ganz." Seine Arme waren immer noch vor der Brust verschränkt, jedoch hatte er das Wort während es Satzes an Natalee gewandt und sah nun zu eben jener. Sie wirkte verdammt jung und in dem Gespräch gerade erschreckend jugendlich, doch zum einen vertraute er Cerberus weit genug als das sie diese Mission keinem in die Hände legen würde, der dazu nicht befähigt war und zu anderen hatte die andere, gerade wegen ihrer seltsamen Eigenart schnell eine Sympathie zu Smith aufgebaut. "Also - ja, ja ich gebe ihnen komplett Recht Ma'am." Beantwortete er schließlich die Frage, auch wenn genau das vermutlich gleich wieder bereuen würde.

"Vielen Dank Flight Lieutenant, aber ich fälle meine Entscheidungen immer noch selbst!" meinte Oleg immer noch bestimmt und schüttelte den Kopf. Er konnte sie nicht los schicken - sie war noch nicht bereit, noch lange nicht. "Natalee, ich kann an dieser Stelle nicht mit mir diskutieren lassen! Es tut mir leid, auch wenn ich weiß wie hart dich das treffen muss! Es geht um zu viel, als das ich -" er unterbracht sich, als sein Universalgerät begann aufzuleuchten.
"Entschuldige mich bitte eine Sekunde!" erklärte Oleg ihr und ging einige Schritte weiter, führte sein Gespräch und ließ Natale erst einmal alleine. Es dauerte einige Minuten, ehe Oleg wieder zurück kam - ihm war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen. "Natalee hör mir zu - ich habe nun wirklich keine Zeit mit dir zu diskutieren! Wir stecken in ernsten Problemen! Scheinbar greift irgend ein Turianer einer menschliche Kolonie an - das letzte was wir wissen ist, dass er mit einem riesigen Schiff unbekannter Klasse angegriffen hat welches wir nicht auf dem Schirm hatten!" er fuhr sich über den Bart. "Verdammt... wir brauchen diese Kolonie... Natalee ich muss los, ich muss einen Angriff befehlen!" erklärte er noch, ehe er sich umwandte und die Treppe hoch rannte

Jedwede Kindhaftigkeit war aus ihrem Gesicht gewichen als sie die Nachricht hörte, die Oleg von sich gab und im selben Moment fällte sie ihren Entschluss. Ein Turianer, der mit einem unbekannten Schiff eine menschliche Kolonie angriff, war etwas, womit definitiv nicht zu spaßen war und sie würde nicht hier sitzen bleiben, während dort draußen Menschen einfach so starben. "Nathan, hol unsere Sachen und bring sie zur Vancouver", ließ sie den anderen wissen und nickte ihm noch einmal zu ehe sie die Haltung straffte und eine direkte Nachricht an Mimi und Kai, sowie Josh weitergab. Zehn Minuten bis zum Abflug, alle Sachen hinunter zur Vancouver und dafür sorgen, dass die Techniker die Magnethalter des Schiffes freigaben und erst als sie das Okay des Teams bekommen hatte, wandte sie sich dem Piloten zu, im Stillen darauf hoffend, dass Wesson verstand, was sie tun wollte und bei diesem Spiel auch mitspielen würde. Sicherlich - es war riskant und es würde damit enden, dass sie jede Menge Ärger dafür bekommen würde, aber sie konnte sich nicht darauf verlassen, dass Oleg alle Arbeit machte während sie die Füße hoch legte und die Welt einfach machen ließ. Dort starben Menschen und die Nachricht darüber, dass es ein Schiff unbekannter Klasse war, hatte sie noch mehr beunruhigt. Wenn es die Reaper waren, wenn es einer ihrer Agenten war, dann war das Ganze dringend und sie würden so schnell wie nur irgendwie möglich handeln müssen.
"Wesson", begann sie mit ernster, befehlsgewohnter Stimme, welche nicht so recht zu dem Eindruck passen wollte, den der andere zuvor von ihr bekommen hatte und straffte ihre Schultern während sie vor dem anderen stehen blieb und sein Gesicht musterte. "Triebwerke starten und das Schiff in zehn Minuten zum Abflug bereitmachen. Das Team ist unterwegs. Machen Sie die Tarnsysteme bereit und scannen Sie die menschlichen Kolonien nach Annomalien und gestörten Funksignalen. Los jetzt!", ließ sie ihn wissen und wandte sich selbst um, nur um wenig später hinter den Türen zu verschwinden, die zuvor auch schon Oleg genommen hatte, um seinen Auftrag anzugehen. Sie würde vorsichtig sein müssen, aber so wie sie den Älteren kannte, würde er beschäftigt sein und kaum mehr ein Auge darauf verwenden, was sie in dieser Zeit tat - danach würde er sie nicht mehr zurückholen können und genau das war der Trumpf den sie ausspielen mussten. Dieser eine Job - wenn sie sich hier gut schlugen, dann würde sie die Organisation davon überzeugen können, dass sie bereit für all das war.

"Captain?" Im ersten Moment hatte er die Frau vor sich noch fragend angesehen. Sie hatten einen direkten Befehl bekommen das sie auf dem Boden bleiben sollten und wenn sie diesen missachteten, konnte es für jeden weitreichende Konsequenzen mit sich sich, ganz abgesehen von der Tatsache das sie nicht einmal wusste, wem oder was sie sich stellen würden. Er war noch nicht lange Soldat und dies hier war eine einmalige Gelegenheit für ihn da man ihn als passenden Kandidaten für den neuen Prototypen erachteten hatte - wenn er jetzt jedoch mitspielen würde. "Schnappen sie sich nur ihre Sachen und kommen sie dann an Bord. Ich kenn die meisten der Techniker - wir müssen uns nur kurz mit dem Hangar in Verbindung setzten und den Befehl zum Hangar räumen geben. Das muss nicht zwangsläufig den Grund zum Start haben, ich werd einfach sagen das wir noch einmal einen Probestart aller Triebwerke machen." Als Natalee streng nickte musste er zwangsläufig laut lachen.
"Sie wissen das ich danach vermutlich meinen Job verlieren werde?" Zu einer Antwort kam er nicht einmal, da sich bereits beide auf den Weg in unterschiedlich Richtungen machten. Smith nahm drei Stufen mit einmal und gab bereits über sein Universalgerät die Meldung ein, das die Techniker einen Probestart für zehn Minuten vorbereiten mussten. Gut vier Minuten später fand er sich in seinem Cockpit wieder, welches nach wie vor unglaublich war - allein schon der Stuhl war so angenehmer als das Bett, das er in seinem Quartier hatte. "Wir nehmen Kurs auf das nächste Massenportal." Gab er dem Navigator beim vorbeigehen mit auf dem Weg, ehe seine Hände über mehrere Displays gleichzeitig huschten und kurz darauf ein lautes Brummen zu hören war. "Böser Turianer und unbekanntes Schiff ... es sollte doch nicht so schwer sein da im Militärfunk was zu finden." Kurz darauf fand er im Intranet des Cerberus Militär einen Eintrag über einen Angriff auf eine Kolonie, der genau auf die Beschreibung passte. "Speise Koordinaten ins KIZ ein, Triebwerke laufen warm." Seine Hand huschte über ein Pult, welches zu seiner linken war und kurz darauf öffnete sich eine der Kameras auf welcher er gerade sehen konnte, wie Natalee und zwei andere Männer durch die Dekontaminationskammer gingen. "Ladys and Gentleman wir begrüßen sie auf dem ersten offiziellen Flug des neuen Cerberus Schiffes - ich bitte ihre Sitze in eine Aufrechte Position zu bringen und sich mit den Speitüten und den Sauerstoffmasken vertraut zu machen." Aus dem Hintergrund hörte er die Frage des Navigators warum sie denn ein direktes Ziel ausgewählt hatten, da das Schiff bisher noch nicht für den Flug freigegeben wurde. "Direkte Anweisung vom Captain." Erwiderte Smith nur und lachte erneut.