Speisesaal

Fünfzehn Minuten hatte sich für die Wegfindung auf dem Schiff, die gar nicht so einfach war als recht knapper Zeitraum herausgestellt - er hatte noch relativ leicht herausfinden können in welchem Stockwerk sind der Speisesaal befand, danach jedoch hatte die Ausschilderung aufgehört und er hatte sich von Soldat zu Soldat fragen müssen, wie er jetzt weiter gehen musste. Letzten Endes hatte er gerade noch rechtzeitig geschafft, fürs umziehen jedoch hatte er keine Zeit mehr gefunden, ganz abgesehen davon das in dem provisorischem Quartier das man ihm zuteilen würde, ohnehin nur das nötigste verstaut war. Er hatte jahrelang damit gekämpft sich endlich einen eigenen Kleiderschrank zuzulegen anstatt immer nur das zu nutzen, was die Allianz ihm stellte, jedoch war es so zum einen viel einfacher angemessene Kleidung zu bekommen, zum anderen musste er sich weder auf irgendwelchen Websites noch in Laden mit etlichen Marken und Kleidungsstilen herum schlagen.
Die Summe die sich dadurch inzwischen auf seinem Konto angespart hatte, dürfte recht beträchtlich sein - wobei er das so genau gar nicht einschätzen konnte, da er seit gut ... fünf, sechs Jahren nichts mehr davon abgehoben hatte oder irgendetwas betreffend seiner Finanzen geprüft hatte. Es hatte immer wichtigeres gegeben, sodass das Geld immer weiter in den Hintergrund gerückt war. Er nahm an einem der kleineren Tische Platz, der nicht weiter belebt war. Man konnte nur in einigen Ecken ein paar Soldaten und Techniker sehen, die entweder gleich mit ihrer Schicht anfingen, oder sie gerade hinter sich hatten. Glücklicherweise jedoch waren sie außerhalb der starken Ballungszeiten, die solche Speiseräume stets mit sich brachten.

Es hatte alles im Schnelldurchlauf gehen müssen, sie hatte liderlich ihre dreckigen Sachen in den Wäschecontainer geworfen und hatte dann im Hüpfen versucht sich neue Socken anzuziehen während sie mit einer Hand bereits ihre Finger nach der Jeans ausgestreckt hatte, die über der kleinen Couch an der Seite hing und die sie jetzt zu sich zog - mit dem Endresultat, dass sie sich ihr Knie an einer kleinen Kommode angeschlagen hatte und laut fluchend danach hatte treten wollen bis ihr aufgefallen war, dass sie es damit nicht besser machen würde. Vermutlich hätte sie sich danach selbst verarzten müssen. Ebenso schnell waren auch alle Süßigkeiten in einer Schublade verschwunden und ihr Bett glänzte inzwischen wieder so, wie es das getan hatte, als sie den Raum hier zum ersten Mal betreten hatte -die Frage, die noch offen blieb, war die des Oberteils und angesichts der Uhrzeit war Greer nichts anderes übrig geblieben als ein schlichtes, schwarzes Shirt zu greifen und es über den Kopf zu ziehen, bevor sie sich vergewisserte, dass ihr sage und schreibe vielleicht noch fünf Minuten blieben. Fünf Minuten, die sie dringend brauchte, um in den Speisesaal zu kommen und ein Weg, den sie im Laufen zurück gelegt und dabei alle seltsamen Blicke ignoriert hatte, die man ihr zugeworfen hatte.
Als sie nun den großen Speisesaal betrat, verlangsamte sie ihr Tempo deutlich und bemühte sich darum, ihre Atmung wieder zu normalisieren bis sie bei dem Tisch angekommen war, den Robert für sie beide vereinnahmt hatte - das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war die Tatsache, dass er glaubte, dass sie sich extra wegen ihm so beeilt hatte. Das hier war vollkommen unverfänglich, er hatte sie um Hilfe gebeten und sie wollte vorher etwas Essen, auch wenn eine leise Stimme in ihrem Kopf ihr schon wieder die wildesten Vorstellungen vormachte, die Greer nur allzu gern wieder ganz weit nach hinten schob. "Ich hoff, ich hab dich nicht zu lang warten lassen", entschuldigte sie sich bei ihm und lächelte sacht ehe sie hinüber zu der Küche deutete. "Dein Magen hängt dir bestimmt schon in den Kniekehlen - sollen wir uns gleich was zu essen holen?"

"Ach kein Problem - das frisch machen hat im übrigen echt gut gekappt." Er war beinahe nur ein beiläufiger, jedoch freundlicher Blick den er ihr zukommen ließ, ehe er sich zusammen mit Greer jeweils ein Tablett schnappte und sich an der kleinen Schlange anstellte, hinter welcher von zwei Angestellten die unterschiedlichen Gerichte ausgeteilt wurden. "Sorry das ich mich nicht weiter fertig gemacht hab, bis ich ein eigenes Quartier hab wirds erstmal bei den Standardsachen von der Allianz bleiben." Den Glauben zu schüren das man bei ihm noch etwas anderes sehen würde war vielleicht nicht unbedingt richtig, doch klang es im Moment einfach besser. "Übrigens, ich hab mir diese Sache mit den Videospielen noch mal durch den Kopf gehen lassen. Ganz kommt man ja nie daran vorbei und ich hab irgendwann mal eine Werbung von ein paar Prügelspielen gesehen, bin das eine oder andere mal selbst drüber gestolpert als ich zu Besuch bei der Familie war, meine Neffen haben das ewig lang gespielt. Jedenfalls bin ich selbst nie in den Genuss gekommen aber ich denke, wenn ich schon einen Profi neben mir hab dann sollte ich doch gleich mal nach ein paar Nachhilfestunden fragen. Auch wenn du vermutlich mit mir den Boden wischen wirst." Er bestellte sich nichts besonderes, es waren ein paar Würzkartoffeln zusammen mit einem frischen Fisch und einer Kräutersoße.
Zwar hatte die Aushilfe, die das Essen ausschenkte gewirkt, als würde sie jeden einzelnen mit ihrem Blick umbringen wollte, doch glaubte Robert fast, das dass bei so einem Job fast etwas wie eine Tradition war. "Aber bevor du wieder in dein Element verfällst würd ich gern noch was Wissen. Wie bist du eigentlich hier her gekommen? Ich mein du siehst noch verdammt jung aus und das hier ist momentan eines der wichtigsten Schiffe von Cerberus."

"Du wärst ein sehr süßer Putzlappen", lachte Greer lediglich auf seine ersten Worte hin, bis sie sich bewusst darüber wurde, was sie da eigentlich gerade gesagt hatte. Mund 1: Greer 0. Das war doch mal wieder typisch, sie hatte das gar nicht so gemeint und trotzdem begann sie hier nur Müll zu labern und wenn alles gut ging, dann hätte sie vielleicht noch ein paar Stunden Gespräch mit Robert, bevor er sich dazu entschied, dass sie ihm einfach viel zu freakig war und danach würde er die ganze Krankenstation und sie selbst meiden - das Ganze war ein furchtbarer Teufelskreis, aus dem Greer selbst nie wirklich herausgekommen war. Schweigend und sich für sich selbst schämend richtete Greer ihren Blick auf ihr Essen, das die Aushilfe auf ihrem Teller aufschichtete und hoffte darauf, dass Robert ihre Worte einfach überhört hatte oder sie zumindest nicht vollkommen ernst nahm und im Grunde ... war ihr Essen auch wirklich interessant. Fisch, Kräutersoße und Kartoffeln ... der Fisch war bestimmt irgendwo von der Erde. Worüber dachte sie eigentlich hier gerade nach?
"Ich komm aus Schottland und hab in London schließlich mein Medizinstudium gemacht. Cerberus hat mich bei der Abschlussfeier angesprochen - jedenfalls irgendeiner von deren Leuten und mich gefragt, ob ich bereit dafür wäre, auf einem Schiff zu dienen oder ob ich wie meine Mutter in einem Krankenhaus bleiben will. Vermutlich hat sie ihre Kontakte spielen lassen und dann war ich hier, seit das Team das erste Mal abgehoben ist, also im Grunde mehr ... nennen wir es einfach glücklichen Zufall, der mein Leben ein bisschen interessanter macht. Was ist mit dir? Wie bist du wirklich hierher gekommen? Also von der Tom Clancy-mäßigen Mission mal abgesehen"?

"Ich glaub ich wär ein verdammt bunter Putzlappen." Die Augen wanderten für einen Augenblick zu einen Armen, ehe er selbst ein paar Bissen von dem Essen nahm. Man konnte die Verachtung des Küchenpersonals förmlich heraus schmecken, nichts desto trotz stillte es aber gut den Hunger und zerging gut auf der Zunge. "Schottland? Und dann in London das Medizinstudium gemacht? Ich glaub man hat dich schon allein aus der Prämisse angeworben, weil du scheinbar eine Überlebenskünstlerin bist. Soweit ich weiß habens die Briten ja nicht so mit ihren Nachbarn."
Dann jedoch schwang das Thema mit einem mal um und der fragende Blick lag nun auf Robert. "Okay, die Frage ist gut... " Wie genau er hierher gekommen war? Nun es war eine gute Mischung aus Zufall und abgekarteten Spiel, denn sicherlich hatte irgendwann den Wunsch gehabt ihn hier auf der Vancouver zu sehen damit er prüfen konnte, wie hier alles lief. Er hatte sich bisher nie negativ über Cerberus oder Allianz geäußert und hatte für gewöhnlich Befehle einfach befolgt .. was ihm im Nachhinein betrachtet wohl hierher gebracht hatte.
"Aber im Grunde ... war es größtenteils die Mission die mich hierher gebracht - ich sollte hier eigentlich nur kurz für die Nachbesprechung bleiben, dann kam mit einem mal das Angebot von Cerberus mich hierher versetzten zu lassen weil es wohl momentan zu wenig Offiziere auf dem Schiff gibt und naja - jetzt bin ich hier."

"Mh - was heißt Überlebenskünstlerin? Ich glaub, der einzige Grund, weshalb Cerberus mich für die Vancouver rekrutiert hatte, war wohl der, dass Leute aus irgendwelchen russischen Verwandtschaftsverhältnissen die besseren Karten haben, gerade bei unseren Anführern und was London angeht - meine Mutter arbeitet da und irgendwo musste ich ja unterkommen und ganz im Ernst ... in Schottland willst du nicht studieren", fuhr Greer mit ihrer Erklärung fort und zuckte leichtfertig mit den Schultern, wobei sie im Stillen wirklich dankbar dafür war, dass er ihren Kommentar schlichtweg überhört oder zumindest nicht für voll genommen hatte. Es war bei Weitem nicht selbstverständlich, dass er das so einfach tat und sie hätte es ihm auch wirklich nicht verübeln können, wenn er sich schockiert oder entrüstet darüber gezeigt hatte, umso dankbarer war sie nun, dass er es einfach unter den imaginären Teppich geschoben hatte, unter dem während der letzten Stunden schon einige ihrer Patzer gelandet waren und der sich inzwischen bedrohlich zu wölben begonnen hatte. Wenn sie sich noch weitere Patzer erlaubte, dann war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob der Abend wirklich ruhig verlaufen würde.
"Das Schiff ist echt was Anderes als das, was man so von anderen Militärschiffen hört. Ich meine, wir sind unterwegs um einen abtrünnigen Spectre zu jagen, der wohl irgendwie mit übergroßen Maschinen paktiert, die selbst denken können und die allesamt unseren Tod wollen. Unser Captain hat den Rat gerettet, wir haben einen ziemlich unfähigen Spectre an Bord, der nichts tut und wenn es nach Cerberus geht, dann wären wir bei unserer ersten Mission nicht mal abgehoben - das hatte der Admiral uns nämlich eigentlich verboten."

"Klingt recht Abwechslungsreich." Zwar hörte man einiges darüber was auf dem Schiff geschah, doch war vieles davon meistens geschwärzt und verfälschte sich somit von Person zu Person und je weiter es getragen wurde, desto weniger Wahrheit konnte man darin erkennen. "Abtrünniger Spectre den ihr verfolgt - unfähiger Spectre auf dem Schiff, klingt nach einem ziemlichen Pulverfass wenn du mich fragst. Nur eine falsche Entscheidung oder irgend eine Fahrlässigkeit und die der Einsatz von der Vancouver kann gravierende Folgen haben, muss hart für euren Captain sein ... "
Zwar hatte er selbst schon ganze Trupps befehligt, jedoch nur immer über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen. Sie hatten einen Einsatz den sie erfüllen mussten und für gewöhnlich lichteten sich danach die Reihen, die Leute wurden neu formiert und man wartete, bis man wieder gebraucht wurde. Hier jedoch war man permanent beschäftigt, man konnte sich nicht zurückziehen, da man einen Platz hatte an dem man sich verstecken konnte. So oder so verursachten die Entscheidungen jedes mal gravierende Folgen und er verspürte enormen Respekt für die junge Frau, die all das hier leitete und dies bisher derart gut regelte. "Ich mag Aliens zwar nicht sonderlich aber ... wenn es irgend einen Vorteil bringt oder sie zumindest hilfreich sind, dann denke ich kann auch Cerberus die Mentalität etwas schleifen lassen. Durch Kompromisse kommt man zum Ziel, nicht durch Sturheit. Aber warte ... wann sind wir von dem Videospielthema abgekommen? Es wird grad nämlich recht ernst."

"Naja, ich dachte, du wolltest nicht ständig irgendwas von Videospielen hören also haben wir uns anderen Dingen zugewandt und du wolltest wissen, wie es hier eigentlich so ist also hab ich erzählt", antwortete Greer auf seine Frage hin und zuckte erneut mit den Schultern, als wäre es nichts, was sie wirklich beschäftigte, selbst wenn das im Grunde genommen alles andere als auf die leichte Schulter zu nehmen war. Das Schiff hier und das Leben, das die Leute hier führten, war eine sehr merkwürdige Art und Weise von Alltag geworden, die davon bestimmt war, dass es durchaus sein konnte, dass sie mitten in der Nacht alle aus dem Bett gerissen werden konnten, weil irgendwo ein Angriff passierte. Eigentlich war es im Vergleich zu den Zivilisten auf der Erde alles andere als Alltag, aber das wollte sie Robert nun wirklich nicht so deutlich sagen.
"Außerdem wollte ich dich drauf vorbereiten, was dir hier bevor steht, wenn du schon freiwillig hier bleibst - also einmal abgesehen von so verrückten Ärzten wie mir, aber ich verspreche, ich bin wirklich fähig, wenn ich mal einen Verletzten vor mir hab", fuhr sie dann fort und machte damit den zaghaften Versuch das Gesprächsthema ein wenig mehr aufzulockern während sie mit der Gabel, die sie in einer Hand hielt, in einer der Kartoffeln herum stocherte und sich gar nicht mehr so sicher war, ob sie das hier wirklich essen wollte. Meistens behandelte selbst das Küchenpersonal sie hier sehr anständig, was allerdings wohl auch eher aufgrund der Tatsache lag, dass sie die Ärztin war und niemand mit einer zusätzlichen Darmspiegelung davon kommen wollte, weil er ihr dumm gekommen war. "War das ... etwa nicht richtig ...?", hakte sie dann doch noch nach als sie den Blick wieder hob, um Robert noch einmal anzusehen und ein sanftes Lächeln auf ihr Gesicht brachte. Im Stillen war sie stolz darauf, dass sie dieses Mal wenigstens nicht rot angelaufen war und damit dem Aussehen einer Tomate Konkurrenz gemacht hatte - vielleicht sollte sie sich die Haare grün färben ...
"Wir können uns über alles Mögliche unterhalten."

Er konnte nicht genau sagen warum, aber sie hatte eine Art an sich die ihn immer wieder zum schmunzeln brachte. Süß war für eine Frau, vor allem für eine Ärztin wohl kaum der passende Ausdruck ... doch passte er bei ihr wie die Faust aufs Auge. Sie war ein wenig verträumt und planlos, gleichzeitig wollte sie genau das jedoch nicht und bemühte sich darum anders zu wirken. Im Grunde also war sie angenehm anders als die Frauen, die man sonst traf. "Wie siehst bei betreffend der Freizeit aus? Familie? Freunde? Hobbys? Bevor du fragst oder irgendwas nicht sagen willst weil es dir zu peinlich ist : Ich mach auch den Anfang. Inzwischen hab ich dafür nicht mehr die Zeit aber als Kind hab ich mich jahrelang im Bowling versucht - nur gab es bei uns in der Umgebung nirgendwo Vereine, also war ich einfach Tag für Tag in der Bowlinghalle und hab geübt. Das schlimme daran war nur, dass ich es selbst nach gut einem Jahr nicht wirklich konnte. Und damit rede ich nicht davon nur ein paar Pins zu verfehlen, die erste Zeit musste meine Mutter regelmäßig Schadenszahlung an den Besitzer abdrücken weil die Bahn auf der ich gespielt habe aussah, als wäre sie eine Mondlandschaft. Mein Problem war das ich am Anfang irgendwie nie den Zeitpunkt gefunden hab, um die Kugel loszulassen also sind sie ... naja, im hohen Bogen auf das beschichtete Holz geflogen. Es gibt davon sogar noch Videos aber ich glaube wenn ich dir die zeigen würde, dann müsste ich dich danach verschwinden lassen."

Eine ganze Weile lang herrschte Stille an dem Tisch während Greer den anderen ungläubig ansah und sich nicht so ganz sicher darüber war, ob er sie nicht gerade nur wirklich verarschen wollte, dann allerdings begannen ihre Mundwinkel zu zucken und sie biss sich auf die Unterlippe, um jeden weiteren Laut zu unterdrücken - ein Umstand, der nur von mäßigem Erfolg zeugte, als sie wenige Sekunden später in schallendes Lachen ausbrach, das durch den großen Speisesaal hallte. "Im Ernst jetzt?", fragte sie kichernd und schob ihren Teller bei Seite, weil sie sich sicher war, dass sie sich sonst an einem Stück Fisch oder spätestens an einem Schluck Wasser verschlucken würde, wenn sie sich nicht selbst bremste. "Ich würd dafür bezahlen, um das zu sehen!", ließ sie lachend folgen und schüttelte den Kopf während sich in ihr unweigerlich die bildliche Vorstellung des Bowling-Fiaskos auftat - wie Robert, der große breite Soldat, vor einer Bowlingbahn stand und die Kugel nicht losließ, wie sie in hohem Bogen durch die Luft flog und dann mit einem lauten Geräusch auf dem Boden aufkam. Wie er knallrot vor der Bahn stand und alle anderen ihn auslachten während der Besitzer sich wutschnaubend darüber beschwerte, dass er den Kerl schon längst vor die Tür hätte setzen sollen. Ja, sie würde auf jeden Fall dafür bezahlen, um das zu sehen.
Noch immer leise lachend versuchte sie die durchaus amüsante Vorstellung aus ihrem Kopf zu verbannen und sich wieder dem Gespräch zu widmen, doch das erwies sich alles andere als sonderlich einfach. Allein der Umstand, dass der gestandene Soldat vor der Bowlingkugel stand und nicht so recht wusste, was er damit anstellen sollte, sprach definitiv für den anderen und machte ihn ihr um einiges sympathischer, als es ohnehin schon der Fall war - Greer mochte solche Männer, die sich selbst nicht zu ernst nahmen und die über sich selbst lachen konnten. Nichts desto trotz bemühte sie sich jetzt wieder um Contenance und räusperte sich geräuschvoll ehe sie ein leises "Entschuldige" folgen ließ und wieder nach ihrem Glas Wasser schnappte, um daraus einen Schluck zu trinken. "Meine Freizeit? Ich bin früher mal ins Ballett geschleift worden, aber ganz im Ernst - ich hab dafür echt nichts übrig. Dass ich mir nicht alle Knochen gebrochen hab, ist echt alles und was alles andere angeht ... ich hab früher mal als Kellnerin gearbeitet und ich schwöre, ich bin echt gut darin, Cocktails zu machen."

"Kellnerin? Ich kann mir dich irgendwie schlecht an einer Theke vorstellen - aber noch schlechter mit einem Tütü auf der Bühne von irgend einem russischen Theater. Das wär dann wohl mehr sterbender Schwan als alles andere." Er war schon nicht umhin gekommen mitzulachen, als Greer sich nicht mehr halten konnte, nachdem er das Bowling Fiasko angesprochen hatte. Ebenso ging es ihm nun bei der Vorstellung von einer kleinen, nörgelnden Greer die in einem riesigen Theaterhaus sah, vor sich nichts außer ein paar abgemagerte Balletttänzerinnen. Vermutlich hatte sie während der Vorstellung noch irgendetwas auf ihrem Universalgerät gespielt, anstatt die gesamte Zeit über auf die Bühne zu sehen, was Robert sogar durchaus nachvollziehen konnte.
"Ich hab das einmal gesehen ... mehr aus Zufall, es war eine Freilichtbühne und ich war grad in der Nähe. Aus der Ferne sieht das ja sogar noch ganz interessant aus aber - nach drei Minuten hab ich nur den Kopf geschüttelt und bin wieder gegangen. Ich glaub sogar das dass für viele hohe Kunst ist, aber auf mich wirkt sie wohl irgendwie nicht. Muss allerdings fies sein sich eine ganze Vorstellung als Kind anzusehen - ich hatte den Vorteil das ich einfach abhauen konnte. Aber pass auf, wir machen einen Deal. Du mixt mir einen Cocktail und machst dabei ein paar tolle Baar Keeper würfe mit den Gläsern und danach zeig ich dir vielleicht ... aber nur vielleicht das Video. Allerdings muss ich dich warnen, danach wirst du nie wieder bowlen können ohne nicht bei jedem Wurf mindestens einmal zu lachen."

"Okay, pass auf - ich mach dir ein paar Cocktails, die dich echt überraschen werden und dafür zeigst du mir das Video und du gehst mit mir bowlen und dann werd ich dir auch zeigen, wie man das richtig macht", versprach Greer lediglich grinsend und überhörte den vorher gehenden Kommentar darüber, dass er sie sich nicht hinter einer Theke vorstellen konnte. Sie hatte sich in der kleinen Bar, in der sie gearbeitet hatte, wirklich gut angestellt, zumindest wenn sie ihrem Chef Glauben schenken konnte und dass er ihr nun nicht glaubte ging der jungen Ärztin nun doch dezent an die Substanz - sie wollte Robert das Gegenteil beweisen, selbst wenn sie dafür nichts bekam. "Du musst im Übrigen aufhören dir irgendwelche halbnacken Weiber hinter der Bar vorzustellen - wir Kellner sind ganz gewöhnliche Leute, die nicht auf der Theke tanzen und denen die männlichen Gäste nicht andauernd auf den Arsch schlagen. Die Wirklichkeit ist echt weniger sexy und weit mehr dreckig", fuhr sie dann fort bevor sie erneut einen Bissen ihrer Kartoffeln nahm und Robert noch einmal mit hochgezogenen Augenbrauen musterte, als erwarte sie gerade, dass er zustimmte, diese Meinung wirklich gehabt zu haben.
"Mh ... und was Ballet angeht - ich hasse es. Ich hasse Theater und Ballett, genauso wie Kunstgalerien - ich finde, dass das furchtbar langweiliger Stoff aus den letzten paar Jahrhunderten ist und ganz im Ernst, Wenns nach mir geht, müsste es das gar nicht mehr geben, aber die ganzen hohen Herrschaften stehen irgendwie drauf und deswegen sehe ich da für uns Normalsterbliche echt schwarz. Ich mein, wir können unsere Zeit auch mit besseren Dingen verbringen, oder?", hakte sie nach während sie demonstrativ mit der inzwischen leeren Gabel die entsprechenden Handbewegungen dazu vollführte und am Ende ihrer Ausführungen mit den Schultern zuckte und süffisant grinste. "Bowlen gehen zum Beispiel."

"Ach? Hab ich hier zufälligerweise nicht nur eine begnadete Spielerin und Kellnerin vor mir, sondern auch noch einen richtigen Bowling Profi? Ich glaub du musst mich gleich mal kneifen, viel besser kann es ja gar nicht kommen. Ich mein das wären gleich zwei essentiell wichtige Dinge die ich dann nachholen würde." Ihre Art ließ ihn immer wieder lachen und erst Minuten später fiel ihm auf das die normalerweise recht distanzierte Hülle langsam zu bröckeln begann. Doch er konnte kaum anders, er genoss Greers Gesellschaft einfach, das herumblödeln- das er gerade erst wieder für sich entdeckt hatte und die angenehme Heiterkeit, selbst bei ernsteren Themen. "Das lässt dich echt nicht mehr los was? Aber gut, abgemacht. Du machst mir die Cocktails, ich zeig dir das Video damit du vorgewarnt bist und danach ... naja kommt drauf an wie beeindruckt ich von den Cocktailskünsten bin - wird es eventuell auch was mit dem Bowling. Aber dir ist schon bewusst, dass wir dann zur Sicherheit die komplette Halle räumen müssen und die im Schutzanzug neben mir stehen wirst, oder?" Als Greer nun noch einmal offen legte das dass eigentlich Bild von weiblichen Kellern meist durch Filme und Musikvideos deutlich überrissen und falsch dargestellt war, legte er kurz den Kopf von einer zur anderen Seite, ehe er die letzten paar Bissen von seinem Teller machte. "Schade eigentlich, ich hätte gedacht ein wenig Entertainment wäre bei dem Cocktail mixen mit dabei, vor allem wenn es um etwas so wichtiges geht wie ein Video von einem Kind, das sich beinahe selbst mit einer Bowling kugel verletzt."

Moment ... Moment ... hatte sie das gerade richtig verstanden? Er wollte, dass sie halbnackt auf irgendeiner Theke tanzte während er seinen Cocktail schlürfte? Oh Gott ... Tausende von verschiedenen Dingen schossen durch Greers Kopf während sie für einen Sekundenbruchteil beinahe die Gabel aus der Hand hatte fallen lassen, die sie zuvor noch festgehalten hatte. Das wollte er nicht wirklich - sie war absoluter Durchschnitt und Robert war ... naja, er war eben Lieutenant Commander und ein gestandener Soldat. Sie wollte definitiv nicht, dass er sich weinend in sein Zimmer verzog, weil er sie mit etwas Kürzerem als ein paar Jeans und einem T-Shirt gesehen hatte, denn, und da war sich Greer verdammt sicher, das würde unweigerlich passieren und damit wäre das Bowlen und die Videospiele definitiv passé. "Aha?", hakte sie dann nach und grinste noch einmal, während sie sich innerlich noch einmal bei allen möglichen kleinen Stimmen in ihrem Schädel versicherte, dass man das auch wirklich so machte, wenn man nicht unbedingt als kleines Mauerblümchen dar stehen wollte.
"Du willst also, dass ich auch noch halbnackt vor dir auf der Theke rumtanze, damit ich das Video zu sehen krieg?", hakte sie nach und erinnerte sich verzweifelt an irgendwelche Spiele oder Filme, die sie mal gesehen hatte und in denen diese Art irgendwie immer funktioniert hatte. Vielleicht würde das ja auch bei ihr klappen ... wollte sie das eigentlich überhaupt? "Dafür brauch ich dann aber echt mehr Belohnung als nur dieses süße Kindervideo von dir", setzte sie dann noch einen drauf und kam sich mit einem Mal furchtbar mutig vor, dass sie den Mut gehabt hatte, ihm das auch noch so offen ins Gesicht zu sagen und dabei noch nicht einmal rot zu werden, aber sie war sich sicher, dass das eintreten würde, wenn er ihr gleich sagte, dass sie da was falsch verstanden hatte. "Und ich glaub, das mit dem Schutzanzug krieg ich hin - ich leih mir einfach eine Rüstung bei den Soldaten, damit mir nichts passiert - ich muss nur eine finden, die mir auch passt."

Der Kommentar mit der Rüstung war nicht weiter wichtig, um ehrlich zu sein hatte er ihn bereits nach ein paar Sekunden komplett ausgeblendet, mehr als ein kurzes Nicken hatte er ohnehin nicht zur Antwort gegeben. Viel wichtiger war das, was sie davor gesagt hatte und was ihn wirklich aus der Fassung gebracht hatte. Er hatte eine derartige Reaktion nicht im geringsten von Greer erwartet, eher vermutet, dass sie rot anlaufen würde und nur kurz lachen würde um das ganze zu übergehen, das sie jedoch mitging und sogar noch etwas drauf packte - auch Robert musste sich erst für einen Augenblick sammeln, auch wenn er währenddessen kurz wie ein ziemlicher Idiot lächelte. "Ich denk das sollte sich etwas einrichten lassen - was die Belohnung angeht mein ich. Die Frage ist nur ob das denn überhaupt klappt. Ich meine wenn das Klischee von den halbnackten Baarkepperinnnen scheinbar nicht stimmt, woher weiß ich denn das du das dann überhaupt kannst?"
Auch Greer hatte ihren Teller inzwischen leer gegessen, weshalb Robert ohne umschweife diesen griff und ihn auf seinen stapelte, ehe er fragend eine Augenbraue hob. "Also, was hältst du davon wenn wir langsam losgehen?"

"Das heißt nicht, dass wir sowas nicht trotzdem können - nur gehört es eben nicht zu unserem Tagesablauf in einer Bar", lautete die Antwort von Greer, die inzwischen doch einiges an Mut gefunden hatte, nachdem Robert sie nicht sofort hatte auflaufen lassen, sondern das Spiel sogar noch mitmachte. Sie war zuerst irritiert davon gewesen, dann verunsichert davon, dass er erst nichts gesagt hatte und als er schließlich noch einen drauf gesetzt hatte, hatte sie beinahe erleichtert aufgeatmet. Es war Etwas, womit sie nun wirklich nicht gerechnet hatte und wovon sie erst recht nicht geglaubt hatte, dass es solchen Mädchen wie ihr einmal passieren würde - für gewöhnlich passierte das den Mädchen, die aussahen wie Supermodels, diejenigen, die wussten, was sie sagen sollten und die jeden Kerl um den Finger wickeln konnten, aber nicht solchen kleinen verträumten und chaotischen Nerds, wie sie einer war. Im Stillen nahm Greer sich vor, sich jetzt nicht noch zum Affen zu machen und erhob sich langsam von ihrem Platz, darum bemüht nirgends gegenzustoßen während sie in ihrem Kopf noch einmal durchging, ob sie auch wirklich alles beseitigt hatte, was vielleicht darauf Rückschlüsse zugelassen hätte, wie sie eigentlich dachte und vor allem wie chaotisch sie lebte.
"Also dann - fangen wir mal an, schließlich muss ich mir ja mein Video verdienen", ließ sie grinsend wissen während sie sich bereits auf den Weg zur Tür machte und im Stillen darauf vertraute, dass Robert ihr folgen würde. Alle Müdigkeit, die sie zuvor noch empfunden hatte, war inzwischen verschwunden - eigentlich hatte sie sich nach ihrer Schicht einfach nur hinlegen wollen, aber die jetzige Tagesplanung begann ihr allmählich viel besser zu gefallen, auch wenn sie noch immer versuchte, das nachzuahmen, was sie bei so vielen anderen Mädchen gesehen hatte und was dort immer funktionierte.

tbc: Quartier